Erster Teil Anwendungsbereich
§ 1 Persönlicher und sachlicher
Anwendungsbereich
(1) Dieses Gesetz gilt, wenn ein Jugendlicher oder ein Heranwachsender eine Verfehlung begeht, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist.
(2) Jugendlicher ist, wer zur Zeit der Tat vierzehn, aber noch nicht achtzehn, Heranwachsender, wer zur Zeit der Tat achtzehn, aber noch nicht einundzwanzig Jahre alt ist.
(3) Ist zweifelhaft, ob der Beschuldigte zur Zeit der Tat das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat, sind die für Jugendliche geltenden Verfahrensvorschriften anzuwenden.
§ 2 Ziel des Jugendstrafrechts; Anwendung des allgemeinen Strafrechts
(1) Die Anwendung des Jugendstrafrechts soll vor allem erneuten Straftaten eines Jugendlichen oder Heranwachsenden entgegenwirken. Um dieses Ziel zu erreichen, sind die Rechtsfolgen und unter Beachtung des elterlichen Erziehungsrechts auch das Verfahren vorrangig am Erziehungsgedanken auszurichten.
(2) Die allgemeinen Vorschriften gelten nur, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist.
Zweiter Teil
Jugendliche
Erstes Hauptstück Verfehlungen Jugendlicher und ihre
Folgen
Erster Abschnitt Allgemeine Vorschriften
§ 3 Verantwortlichkeit
Ein Jugendlicher ist strafrechtlich verantwortlich, wenn er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug ist, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Zur Erziehung eines Jugendlichen, der mangels Reife strafrechtlich nicht verantwortlich ist, kann der Richter dieselben Maßnahmen anordnen wie das Familiengericht.
§ 4 Rechtliche Einordnung der Taten Jugendlicher
Ob die rechtswidrige Tat eines Jugendlichen als Verbrechen oder Vergehen anzusehen ist und wann sie verjährt, richtet sich nach den Vorschriften des allgemeinen Strafrechts.
§ 5 Die Folgen der Jugendstraftat
(1) Aus Anlaß der Straftat eines Jugendlichen können Erziehungsmaßregeln angeordnet werden.
(2) Die Straftat eines Jugendlichen wird mit Zuchtmitteln oder mit Jugendstrafe
geahndet, wenn Erziehungsmaßregeln nicht
ausreichen.
(3) Von Zuchtmitteln und Jugendstrafe wird abgesehen, wenn die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt die Ahndung durch den Richter entbehrlich macht.
§ 6 Nebenfolgen
(1) Auf Unfähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden, Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen oder in öffentlichen Angelegenheiten zu wählen oder zu stimmen, darf nicht erkannt werden. Die Bekanntgabe der Verurteilung darf nicht angeordnet werden.
(2) Der Verlust der Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden und Rechte aus öffentlichen Wahlen zu erlangen (§ 45 Abs. 1 des Strafgesetzbuches), tritt nicht ein.
§ 7 Maßregeln der Besserung und Sicherung
(1) Als Maßregeln der Besserung und Sicherung im Sinne des allgemeinen Strafrechts können die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt, die Führungsaufsicht oder die Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet werden (§ 61 Nr. 1, 2, 4 und 5 des Strafgesetzbuches).
(2) Das Gericht kann im Urteil die Anordnung der Sicherungsverwahrung
vorbehalten, wenn
1. der Jugendliche zu einer Jugendstrafe von mindestens sieben Jahren verurteilt wird wegen oder auch wegen eines Verbrechens
a) gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder
b) nach § 251 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255 des Strafgesetzbuches,
durch welches das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, und
2. die Gesamtwürdigung des Jugendlichen und seiner Tat oder seiner Taten ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Nummer 1 bezeichneten Art begehen wird.
Das Gericht ordnet die Sicherungsverwahrung an, wenn die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass von ihm Straftaten der in Satz 1 Nummer 1 bezeichneten Art zu erwarten sind; § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches gilt entsprechend. Für die Prüfung, ob die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung am Ende des Vollzugs der Jugendstrafe auszusetzen ist, und für den Eintritt der Führungsaufsicht
gilt § 67c Absatz 1 des Strafgesetzbuches
entsprechend.
(3) Wird neben der Jugendstrafe die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten und hat der Verurteilte das siebenundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet, so ordnet das Gericht an, dass bereits die Jugendstrafe in einer sozialtherapeutischen Einrichtung zu vollziehen ist, es sei denn, dass die Resozialisierung des Verurteilten dadurch nicht besser gefördert werden kann. Diese Anordnung kann auch nachträglich erfolgen. Solange der Vollzug in einer sozialtherapeutischen Einrichtung noch nicht angeordnet oder der Gefangene noch nicht in eine sozialtherapeutische Einrichtung verlegt worden ist, ist darüber jeweils nach sechs Monaten neu zu entscheiden. Für die nachträgliche Anordnung nach Satz 2 ist die Strafvollstreckungskammer zuständig, wenn der Betroffene das vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat, sonst die für die Entscheidung über Vollzugsmaßnahmen nach
§ 92 Absatz 2 zuständige Jugendkammer. Im Übrigen gelten zum Vollzug der Jugendstrafe
§ 66c Absatz 2 und § 67a Absatz 2 bis 4 des Strafgesetzbuches entsprechend.
(4) Ist die wegen einer Tat der in Absatz 2 bezeichneten Art angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach
§ 67d Abs. 6 des Strafgesetzbuches für erledigt erklärt worden, weil der die Schuldfähigkeit ausschließende oder
vermindernde Zustand, auf dem die
Unterbringung beruhte, im Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht bestanden hat, so kann das Gericht nachträglich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung anordnen, wenn
1. die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 des Strafgesetzbuches wegen mehrerer solcher Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 des Strafgesetzbuches führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Jugendstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2. die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Absatz 2 bezeichneten Art begehen wird.
(5) Die regelmäßige Frist zur Prüfung, ob die weitere Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung auszusetzen oder für erledigt zu erklären ist (§ 67e des Strafgesetzbuches), beträgt in den Fällen der Absätze 2 und 4 sechs Monate, wenn die untergebrachte Person bei Beginn des Fristlaufs das vierundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hat.
§ 8 Verbindung von Maßnahmen und
Jugendstrafe
(1) Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel, ebenso mehrere Erziehungsmaßregeln oder mehrere Zuchtmittel können nebeneinander angeordnet werden. Mit der Anordnung von Hilfe zur Erziehung nach § 12 Nr. 2 darf Jugendarrest nicht verbunden werden.
(2) Neben Jugendstrafe können nur Weisungen und Auflagen erteilt und die Erziehungsbeistandschaft angeordnet werden. Unter den Voraussetzungen des § 16a kann neben der Verhängung einer Jugendstrafe oder der Aussetzung ihrer Verhängung auch Jugendarrest angeordnet werden. Steht der Jugendliche unter Bewährungsaufsicht, so ruht eine gleichzeitig bestehende Erziehungsbeistandschaft bis zum Ablauf der Bewährungszeit.
(3) Neben Erziehungsmaßregeln, Zuchtmitteln und Jugendstrafe kann auf die nach diesem Gesetz zulässigen Nebenstrafen und Nebenfolgen erkannt werden.
Zweiter Abschnitt Erziehungsmaßregeln
§ 9 Arten
Erziehungsmaßregeln sind
1. die Erteilung von Weisungen,
2. die Anordnung, Hilfe zur Erziehung im
Sinne des § 12 in Anspruch zu nehmen.
§ 10 Weisungen
(1) Weisungen sind Gebote und Verbote, welche die Lebensführung des Jugendlichen regeln und dadurch seine Erziehung fördern und sichern sollen. Dabei dürfen an die Lebensführung des Jugendlichen keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden. Der Richter kann dem Jugendlichen insbesondere auferlegen,
1. Weisungen zu befolgen, die sich auf den Aufenthaltsort beziehen,
2. bei einer Familie oder in einem Heim zu wohnen,
3. eine Ausbildungs- oder Arbeitsstelle anzunehmen,
4. Arbeitsleistungen zu erbringen,
5. sich der Betreuung und Aufsicht einer bestimmten Person (Betreuungshelfer) zu unterstellen,
6. an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen,
7. sich zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer- Ausgleich),
8. den Verkehr mit bestimmten Personen oder den Besuch von Gast- oder Vergnügungsstätten zu unterlassen oder
9. an einem Verkehrsunterricht
teilzunehmen.
(2) Der Richter kann dem Jugendlichen auch mit Zustimmung des Erziehungsberechtigten und des gesetzlichen Vertreters auferlegen, sich einer heilerzieherischen Behandlung durch einen Sachverständigen oder einer Entziehungskur zu unterziehen. Hat der Jugendliche das sechzehnte Lebensjahr vollendet, so soll dies nur mit seinem Einverständnis geschehen.
§ 11 Laufzeit und nachträgliche Änderung von Weisungen; Folgen der Zuwiderhandlung
(1) Der Richter bestimmt die Laufzeit der Weisungen. Die Laufzeit darf zwei Jahre nicht überschreiten; sie soll bei einer Weisung nach § 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 nicht mehr als ein Jahr, bei einer Weisung nach § 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 nicht mehr als sechs Monate betragen.
(2) Der Richter kann Weisungen ändern, von ihnen befreien oder ihre Laufzeit vor Ablauf bis auf drei Jahre verlängern, wenn dies aus Gründen der Erziehung geboten ist.
(3) Kommt der Jugendliche Weisungen schuldhaft nicht nach, so kann Jugendarrest verhängt werden, wenn eine Belehrung über die Folgen schuldhafter Zuwiderhandlung erfolgt war. Hiernach verhängter Jugendarrest darf bei einer Verurteilung insgesamt die Dauer von vier Wochen nicht überschreiten. Der Richter sieht von der
Vollstreckung des Jugendarrestes ab, wenn
der Jugendliche nach Verhängung des Arrestes der Weisung nachkommt.
§ 12 Hilfe zur Erziehung
Der Richter kann dem Jugendlichen nach Anhörung des Jugendamts auch auferlegen, unter den im Achten Buch Sozialgesetzbuch genannten Voraussetzungen Hilfe zur Erziehung
1. in Form der Erziehungsbeistandschaft im Sinne des § 30 des Achten Buches Sozialgesetzbuch oder
2. in einer Einrichtung über Tag und Nacht oder in einer sonstigen betreuten Wohnform im Sinne des § 34 des Achten Buches Sozialgesetzbuch in Anspruch zu nehmen.
Dritter Abschnitt Zuchtmittel
§ 13 Arten und Anwendung
(1) Der Richter ahndet die Straftat mit Zuchtmitteln, wenn Jugendstrafe nicht geboten ist, dem Jugendlichen aber eindringlich zum Bewußtsein gebracht werden muß, daß er für das von ihm begangene Unrecht einzustehen hat.
(2) Zuchtmittel sind
1. die Verwarnung,
2. die Erteilung von Auflagen,
3. der Jugendarrest.
(3) Zuchtmittel haben nicht die Rechtswirkungen einer Strafe.
§ 14 Verwarnung
Durch die Verwarnung soll dem Jugendlichen das Unrecht der Tat eindringlich vorgehalten werden.
§ 15 Auflagen
(1) Der Richter kann dem Jugendlichen auferlegen,
1. nach Kräften den durch die Tat verursachten Schaden wiedergutzumachen,
2. sich persönlich bei dem Verletzten zu entschuldigen,
3. Arbeitsleistungen zu erbringen oder
4. einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung zu zahlen.
Dabei dürfen an den Jugendlichen keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden.
(2) Der Richter soll die Zahlung eines Geldbetrages nur anordnen, wenn
1. der Jugendliche eine leichte Verfehlung begangen hat und anzunehmen ist, daß er den Geldbetrag aus Mitteln zahlt, über die er selbständig verfügen darf, oder
2. dem Jugendlichen der Gewinn, den er aus
der Tat erlangt, oder das Entgelt, das er für
sie erhalten hat, entzogen werden soll.
(3) Der Richter kann nachträglich Auflagen ändern oder von ihrer Erfüllung ganz oder zum Teil befreien, wenn dies aus Gründen der Erziehung geboten ist. Bei schuldhafter Nichterfüllung von Auflagen gilt § 11 Abs. 3 entsprechend. Ist Jugendarrest vollstreckt worden, so kann der Richter die Auflagen ganz oder zum Teil für erledigt erklären.
§ 16 Jugendarrest
(1) Der Jugendarrest ist Freizeitarrest, Kurzarrest oder Dauerarrest.
(2) Der Freizeitarrest wird für die wöchentliche Freizeit des Jugendlichen verhängt und auf eine oder zwei Freizeiten bemessen.
(3) Der Kurzarrest wird statt des Freizeitarrestes verhängt, wenn der zusammenhängende Vollzug aus Gründen der Erziehung zweckmäßig erscheint und weder die Ausbildung noch die Arbeit des Jugendlichen beeinträchtigt werden. Dabei stehen zwei Tage Kurzarrest einer Freizeit gleich.
(4) Der Dauerarrest beträgt mindestens eine Woche und höchstens vier Wochen. Er wird nach vollen Tagen oder Wochen bemessen.
§ 16a Jugendarrest neben Jugendstrafe
(1) Wird die Verhängung oder die
Vollstreckung der Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt, so kann abweichend von § 13 Absatz 1 daneben Jugendarrest verhängt werden, wenn
1. dies unter Berücksichtigung der Belehrung über die Bedeutung der Aussetzung zur Bewährung und unter Berücksichtigung der Möglichkeit von Weisungen und Auflagen geboten ist, um dem Jugendlichen seine Verantwortlichkeit für das begangene Unrecht und die Folgen weiterer Straftaten zu verdeutlichen,
2. dies geboten ist, um den Jugendlichen zunächst für eine begrenzte Zeit aus einem Lebensumfeld mit schädlichen Einflüssen herauszunehmen und durch die Behandlung im Vollzug des Jugendarrests auf die Bewährungszeit vorzubereiten, oder
3. dies geboten ist, um im Vollzug des Jugendarrests eine nachdrücklichere erzieherische Einwirkung auf den Jugendlichen zu erreichen oder um dadurch bessere Erfolgsaussichten für eine erzieherische Einwirkung in der Bewährungszeit zu schaffen.
(2) Jugendarrest nach Absatz 1 Nummer 1 ist in der Regel nicht geboten, wenn der Jugendliche bereits früher Jugendarrest als Dauerarrest verbüßt oder sich nicht nur kurzfristig im Vollzug von Untersuchungshaft befunden hat.
Vierter Abschnitt Die Jugendstrafe
§ 17 Form und Voraussetzungen
(1) Die Jugendstrafe ist Freiheitsentzug in einer für ihren Vollzug vorgesehenen Einrichtung.
(2) Der Richter verhängt Jugendstrafe, wenn wegen der schädlichen Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht ausreichen oder wenn wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist.
§ 18 Dauer der Jugendstrafe
(1) Das Mindestmaß der Jugendstrafe beträgt sechs Monate, das Höchstmaß fünf Jahre. Handelt es sich bei der Tat um ein Verbrechen, für das nach dem allgemeinen Strafrecht eine Höchststrafe von mehr als zehn Jahren Freiheitsstrafe angedroht ist, so ist das Höchstmaß zehn Jahre. Die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts gelten nicht.
(2) Die Jugendstrafe ist so zu bemessen, daß die erforderliche erzieherische Einwirkung möglich ist.
§ 19
-
Fünfter Abschnitt Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung
§ 20
(weggefallen)
§ 21 Strafaussetzung
(1) Bei der Verurteilung zu einer Jugendstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Jugendliche sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs unter der erzieherischen Einwirkung in der Bewährungszeit künftig einen rechtschaffenen Lebenswandel führen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Jugendlichen, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind. Das Gericht setzt die Vollstreckung der Strafe auch dann zur Bewährung aus, wenn die in Satz 1 genannte Erwartung erst dadurch begründet wird, dass neben der Jugendstrafe ein Jugendarrest nach § 16a verhängt wird.
(2) Das Gericht setzt unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Jugendstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aus, wenn nicht die Vollstreckung im Hinblick auf die Entwicklung des Jugendlichen geboten ist.
(3) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen
Teil der Jugendstrafe beschränkt werden.
Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.
§ 22 Bewährungszeit
(1) Der Richter bestimmt die Dauer der Bewährungszeit. Sie darf drei Jahre nicht überschreiten und zwei Jahre nicht unterschreiten.
(2) Die Bewährungszeit beginnt mit der Rechtskraft der Entscheidung über die Aussetzung der Jugendstrafe. Sie kann nachträglich bis auf ein Jahr verkürzt oder vor ihrem Ablauf bis auf vier Jahre verlängert werden. In den Fällen des § 21 Abs. 2 darf die Bewährungszeit jedoch nur bis auf zwei Jahre verkürzt werden.
§ 23 Weisungen und Auflagen
(1) Der Richter soll für die Dauer der Bewährungszeit die Lebensführung des Jugendlichen durch Weisungen erzieherisch beeinflussen. Er kann dem Jugendlichen auch Auflagen erteilen. Diese Anordnungen kann er auch nachträglich treffen, ändern oder aufheben. Die §§ 10, 11 Abs. 3 und § 15 Abs. 1, 2, 3 Satz 2 gelten entsprechend.
(2) Macht der Jugendliche Zusagen für seine künftige Lebensführung oder erbietet er sich zu angemessenen Leistungen, die der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen, so sieht der Richter in der Regel von entsprechenden Weisungen oder Auflagen
vorläufig ab, wenn die Erfüllung der Zusagen
oder des Anerbietens zu erwarten ist.
§ 24 Bewährungshilfe
(1) Der Richter unterstellt den Jugendlichen in der Bewährungszeit für höchstens zwei Jahre der Aufsicht und Leitung eines hauptamtlichen Bewährungshelfers. Er kann ihn auch einem ehrenamtlichen Bewährungshelfer unterstellen, wenn dies aus Gründen der Erziehung zweckmäßig erscheint. § 22 Abs. 2 Satz 1 gilt entsprechend.
(2) Der Richter kann eine nach Absatz 1 getroffene Entscheidung vor Ablauf der Unterstellungszeit ändern oder aufheben; er kann auch die Unterstellung des Jugendlichen in der Bewährungszeit erneut anordnen. Dabei kann das in Absatz 1 Satz 1 bestimmte Höchstmaß überschritten werden.
(3) Der Bewährungshelfer steht dem Jugendlichen helfend und betreuend zur Seite. Er überwacht im Einvernehmen mit dem Richter die Erfüllung der Weisungen, Auflagen, Zusagen und Anerbieten. Der Bewährungshelfer soll die Erziehung des Jugendlichen fördern und möglichst mit dem Erziehungsberechtigten und dem gesetzlichen Vertreter vertrauensvoll zusammenwirken. Er hat bei der Ausübung seines Amtes das Recht auf Zutritt zu dem Jugendlichen. Er kann von dem Erziehungsberechtigten, dem gesetzlichen
Vertreter, der Schule, dem Ausbildenden
Auskunft über die Lebensführung des Jugendlichen verlangen.
§ 25 Bestellung und Pflichten des Bewährungshelfers
Der Bewährungshelfer wird vom Richter bestellt. Der Richter kann ihm für seine Tätigkeit nach § 24 Abs. 3 Anweisungen erteilen. Der Bewährungshelfer berichtet über die Lebensführung des Jugendlichen in Zeitabständen, die der Richter bestimmt.
Gröbliche oder beharrliche Verstöße gegen Weisungen, Auflagen, Zusagen oder Anerbieten teilt er dem Richter mit.
§ 26 Widerruf der Strafaussetzung
(1) Das Gericht widerruft die Aussetzung der Jugendstrafe, wenn der Jugendliche
1. in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, daß die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat,
2. gegen Weisungen gröblich oder beharrlich verstößt oder sich der Aufsicht und Leitung des Bewährungshelfers beharrlich entzieht und dadurch Anlaß zu der Besorgnis gibt, daß er erneut Straftaten begehen wird, oder
3. gegen Auflagen gröblich oder beharrlich verstößt.
Satz 1 Nr. 1 gilt entsprechend, wenn die Tat in der Zeit zwischen der Entscheidung über
die Strafaussetzung und deren Rechtskraft
begangen worden ist. Wurde die Jugendstrafe nachträglich durch Beschluss ausgesetzt, ist auch § 57 Absatz 5 Satz 2 des Strafgesetzbuches entsprechend anzuwenden.
(2) Das Gericht sieht jedoch von dem Widerruf ab, wenn es ausreicht,
1. weitere Weisungen oder Auflagen zu erteilen,
2. die Bewährungs- oder Unterstellungszeit bis zu einem Höchstmaß von vier Jahren zu verlängern oder
3. den Jugendlichen vor Ablauf der Bewährungszeit erneut einem Bewährungshelfer zu unterstellen.
(3) Leistungen, die der Jugendliche zur Erfüllung von Weisungen, Auflagen, Zusagen oder Anerbieten (§23) erbracht hat, werden nicht erstattet. Das Gericht kann jedoch, wenn es die Strafaussetzung widerruft, Leistungen, die der Jugendliche zur Erfüllung von Auflagen oder entsprechenden Anerbieten erbracht hat, auf die Jugendstrafe anrechnen. Jugendarrest, der nach § 16a verhängt wurde, wird in dem Umfang, in dem er verbüßt wurde, auf die Jugendstrafe angerechnet.
§ 26a Erlaß der Jugendstrafe
iderruft der Richter die Strafaussetzung nicht, so erläßt er die Jugendstrafe nach
Ablauf der Bewährungszeit. § 26 Abs. 3 Satz
1 ist anzuwenden.
Sechster Abschnitt Aussetzung der
Verhängung der Jugendstrafe
§ 27 Voraussetzungen
Kann nach Erschöpfung der
Ermittlungsmöglichkeiten nicht mit
Sicherheit beurteilt werden, ob in der
Straftat eines Jugendlichen schädliche
Neigungen von einem Umfang
hervorgetreten sind, daß eine Jugendstrafe
erforderlich ist, so kann der Richter die
Schuld des Jugendlichen feststellen, die
Entscheidung über die Verhängung der
Jugendstrafe aber für eine von ihm zu
bestimmende Bewährungszeit aussetzen.
§ 28 Bewährungszeit
(1) Die Bewährungszeit darf zwei Jahre
nicht überschreiten und ein Jahr nicht
unterschreiten.
(2) Die Bewährungszeit beginnt mit der
Rechtskraft des Urteils, in dem die Schuld
des Jugendlichen festgestellt wird. Sie kann
nachträglich bis auf ein Jahr verkürzt oder
vor ihrem Ablauf bis auf zwei Jahre
verlängert werden.
§ 29 Bewährungshilfe
Der Jugendliche wird für die Dauer oder
einen Teil der Bewährungszeit der Aufsicht
und Leitung eines Bewährungshelfers
unterstellt. Die §§ 23, 24 Abs. 1 Satz 1 und
2, Abs. 2 und 3 und die §§ 25, 28 Abs. 2
Satz 1 sind entsprechend anzuwenden.
§ 30 Verhängung der Jugendstrafe; Tilgung
des Schuldspruchs
(1) Stellt sich vor allem durch schlechte
Führung des Jugendlichen während der
Bewährungszeit heraus, daß die in dem
Schuldspruch mißbilligte Tat auf schädliche
Neigungen von einem Umfang
zurückzuführen ist, daß eine Jugendstrafe
erforderlich ist, so erkennt das Gericht auf
die Strafe, die es im Zeitpunkt des
Schuldspruchs bei sicherer Beurteilung der
schädlichen Neigungen des Jugendlichen
ausgesprochen hätte. § 26 Absatz 3 Satz 3
gilt entsprechend.
(2) Liegen die Voraussetzungen des
Absatzes 1 Satz 1 nach Ablauf der
Bewährungszeit nicht vor, so wird der
Schuldspruch getilgt.
Siebenter Abschnitt Mehrere
Straftaten
§ 31 Mehrere Straftaten eines Jugendlichen
(1) Auch wenn ein Jugendlicher mehrere
Straftaten begangen hat, setzt das Gericht
nur einheitlich Erziehungsmaßregeln,
Zuchtmittel oder eine Jugendstrafe fest.
Soweit es dieses Gesetz zuläßt (§ 8),
können ungleichartige Erziehungsmaßregeln
und Zuchtmittel nebeneinander angeordnet
oder Maßnahmen mit der Strafe verbunden
werden. Die gesetzlichen Höchstgrenzen des
Jugendarrestes und der Jugendstrafe dürfen
nicht überschritten werden.
(2) Ist gegen den Jugendlichen wegen eines
Teils der Straftaten bereits rechtskräftig die
Schuld festgestellt oder eine
Erziehungsmaßregel, ein Zuchtmittel oder
eine Jugendstrafe festgesetzt worden, aber
noch nicht vollständig ausgeführt, verbüßt
oder sonst erledigt, so wird unter
Einbeziehung des Urteils in gleicher Weise
nur einheitlich auf Maßnahmen oder
Jugendstrafe erkannt. Die Anrechnung
bereits verbüßten Jugendarrestes steht im
Ermessen des Gerichts, wenn es auf
Jugendstrafe erkennt. § 26 Absatz 3 Satz 3
und § 30 Absatz 1 Satz 2 bleiben unberührt.
(3) Ist es aus erzieherischen Gründen
zweckmäßig, so kann das Gericht davon
absehen, schon abgeurteilte Straftaten in die
neue Entscheidung einzubeziehen. Dabei
kann es Erziehungsmaßregeln und
Zuchtmittel für erledigt erklären, wenn es
auf Jugendstrafe erkennt.
§ 32 Mehrere Straftaten in verschiedenen
Alters- und Reifestufen
Für mehrere Straftaten, die gleichzeitig
abgeurteilt werden und auf die teils
Jugendstrafrecht und teils allgemeines
Strafrecht anzuwenden wäre, gilt einheitlich
das Jugendstrafrecht, wenn das
Schwergewicht bei den Straftaten liegt, die
nach Jugendstrafrecht zu beurteilen wären. Ist dies nicht der Fall, so ist einheitlich das allgemeine Strafrecht anzuwenden.
Zweites Hauptstück Jugendgerichtsverfassung und
Jugendstrafverfahren
Erster Abschnitt Jugendgerichtsverfassung
§ 33 Jugendgerichte
(1) Über Verfehlungen Jugendlicher entscheiden die Jugendgerichte.
(2) Jugendgerichte sind der Strafrichter als Jugendrichter, das Schöffengericht (Jugendschöffengericht) und die Strafkammer (Jugendkammer).
(3) Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu regeln, daß ein Richter bei einem Amtsgericht zum Jugendrichter für den Bezirk mehrerer Amtsgerichte (Bezirksjugendrichter) bestellt und daß bei einem Amtsgericht ein gemeinsames Jugendschöffengericht für den Bezirk mehrerer Amtsgerichte eingerichtet wird. Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.
§ 33a Besetzung des Jugendschöffengerichts
(1) Das Jugendschöffengericht besteht aus dem Jugendrichter als Vorsitzenden und
zwei Jugendschöffen. Als Jugendschöffen
sollen zu jeder Hauptverhandlung ein Mann
und eine Frau herangezogen werden.
(2) Bei Entscheidungen außerhalb der
Hauptverhandlung wirken die
Jugendschöffen nicht mit.
§ 33b Besetzung der Jugendkammer
(1) Die Jugendkammer ist mit drei Richtern
einschließlich des Vorsitzenden und zwei
Jugendschöffen (große Jugendkammer), in
Verfahren über Berufungen gegen Urteile
des Jugendrichters mit dem Vorsitzenden
und zwei Jugendschöffen (kleine
Jugendkammer) besetzt.
(2) Bei der Eröffnung des Hauptverfahrens
beschließt die große Jugendkammer über
ihre Besetzung in der Hauptverhandlung. Ist
das Hauptverfahren bereits eröffnet,
beschließt sie hierüber bei der Anberaumung
des Termins zur Hauptverhandlung. Sie
beschließt eine Besetzung mit drei Richtern
einschließlich des Vorsitzenden und zwei
Jugendschöffen, wenn
1. die Sache nach den allgemeinen
Vorschriften einschließlich der Regelung des
§ 74e des Gerichtsverfassungsgesetzes zur
Zuständigkeit des Schwurgerichts gehört,
2. ihre Zuständigkeit nach § 41 Absatz 1
Nummer 5 begründet ist oder
3. nach dem Umfang oder der Schwierigkeit
der Sache die Mitwirkung eines dritten
Richters notwendig erscheint.
Im Übrigen beschließt die große
Jugendkammer eine Besetzung mit zwei
Richtern einschließlich des Vorsitzenden und
zwei Jugendschöffen.
(3) Die Mitwirkung eines dritten Richters
ist nach Absatz 2 Satz 3 Nummer 3 in der
Regel notwendig, wenn
1. die Jugendkammer die Sache nach § 41
Absatz 1 Nummer 2 übernommen hat,
2. die Hauptverhandlung voraussichtlich
länger als zehn Tage dauern wird oder
3. die Sache eine der in § 74c Absatz 1 Satz
1 des Gerichtsverfassungsgesetzes
genannten Straftaten zum Gegenstand hat.
(4) In Verfahren über die Berufung gegen
ein Urteil des Jugendschöffengerichts gilt
Absatz 2 entsprechend. Die große
Jugendkammer beschließt ihre Besetzung
mit drei Richtern einschließlich des
Vorsitzenden und zwei Jugendschöffen auch
dann, wenn mit dem angefochtenen Urteil
auf eine Jugendstrafe von mehr als vier
Jahren erkannt wurde.
(5) Hat die große Jugendkammer eine
Besetzung mit zwei Richtern einschließlich
des Vorsitzenden und zwei Jugendschöffen
beschlossen und ergeben sich vor Beginn
der Hauptverhandlung neue Umstände, die
nach Maßgabe der Absätze 2 bis 4 eine
Besetzung mit drei Richtern einschließlich
des Vorsitzenden und zwei Jugendschöffen erforderlich machen, beschließt sie eine solche Besetzung.
(6) Ist eine Sache vom Revisionsgericht zurückverwiesen oder die Hauptverhandlung ausgesetzt worden, kann die jeweils zuständige Jugendkammer erneut nach Maßgabe der Absätze 2 bis 4 über ihre Besetzung beschließen.
(7) § 33a Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 gilt entsprechend.
§ 34 Aufgaben des Jugendrichters
(1) Dem Jugendrichter obliegen alle Aufgaben, die ein Richter beim Amtsgericht im Strafverfahren hat.
(2) Dem Jugendrichter sollen für die Jugendlichen die familiengerichtlichen Erziehungsaufgaben übertragen werden. Aus besonderen Gründen, namentlich wenn der Jugendrichter für den Bezirk mehrerer Amtsgerichte bestellt ist, kann hiervon abgewichen werden.
(3) Familiengerichtliche Erziehungsaufgaben sind
1. die Unterstützung der Eltern, des Vormunds und des Pflegers durch geeignete Maßnahmen (§ 1631 Absatz 3, § 1802 Absatz 1 Satz 1, § 1813 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs),
2. die Maßnahmen zur Abwendung einer
Gefährdung des Jugendlichen (§§ 1666, 1666a, auch in Verbindung mit § 1802 Absatz 2 Satz 3 und § 1813 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches).
3. (weggefallen)
§ 35 Jugendschöffen
(1) Die Schöffen der Jugendgerichte (Jugendschöffen) werden auf Vorschlag des Jugendhilfeausschusses für die Dauer von fünf Geschäftsjahren von dem in § 40 des Gerichtsverfassungsgesetzes vorgesehenen Ausschuß gewählt. Dieser soll eine gleiche Anzahl von Männern und Frauen wählen.
(2) Der Jugendhilfeausschuß soll ebensoviele Männer wie Frauen und muss mindestens die doppelte Anzahl von Personen vorschlagen, die als Jugendschöffen und Jugendersatzschöffen benötigt werden. Die Vorgeschlagenen sollen erzieherisch befähigt und in der Jugenderziehung erfahren sein.
(3) Die Vorschlagsliste des
Jugendhilfeausschusses gilt als Vorschlagsliste im Sinne des § 36 des Gerichtsverfassungsgesetzes. Für die Aufnahme in die Liste ist die Zustimmung von zwei Dritteln der anwesenden stimmberechtigten Mitglieder, mindestens jedoch der Hälfte aller stimmberechtigten Mitglieder des Jugendhilfeausschusses erforderlich. Die Vorschlagsliste ist im Jugendamt eine Woche lang zu jedermanns
Einsicht aufzulegen. Der Zeitpunkt der Auflegung ist vorher öffentlich bekanntzumachen.
(4) Bei der Entscheidung über Einsprüche gegen die Vorschlagsliste des Jugendhilfeausschusses und bei der Wahl der Jugendschöffen und Jugendersatzschöffen führt der Jugendrichter den Vorsitz in dem Schöffenwahlausschuß.
(5) Die Jugendschöffen werden in besondere für Männer und Frauen getrennt zu führende Schöffenlisten aufgenommen.
(6) Die Wahl der Jugendschöffen erfolgt gleichzeitig mit der Wahl der Schöffen für die Schöffengerichte und die Strafkammern.
§ 36 Jugendstaatsanwalt
(1) Für Verfahren, die zur Zuständigkeit der Jugendgerichte gehören, werden Jugendstaatsanwälte bestellt. Richter auf Probe und Beamte auf Probe sollen im ersten Jahr nach ihrer Ernennung nicht zum Jugendstaatsanwalt bestellt werden.
(2) Jugendstaatsanwaltliche Aufgaben dürfen Amtsanwälten nur übertragen werden, wenn diese die besonderen Anforderungen erfüllen, die für die Wahrnehmung jugendstaatsanwaltlicher Aufgaben an Staatsanwälte gestellt werden. Referendaren kann im Einzelfall die Wahrnehmung jugendstaatsanwaltlicher Aufgaben unter Aufsicht eines
Jugendstaatsanwalts übertragen werden. Die Sitzungsvertretung in Verfahren vor den Jugendgerichten dürfen Referendare nur unter Aufsicht und im Beisein eines Jugendstaatsanwalts wahrnehmen.
§ 37 Auswahl der Jugendrichter und Jugendstaatsanwälte
(1) Die Richter bei den Jugendgerichten und die Jugendstaatsanwälte sollen erzieherisch befähigt und in der Jugenderziehung erfahren sein. Sie sollen über Kenntnisse auf den Gebieten der Kriminologie, Pädagogik und Sozialpädagogik sowie der Jugendpsychologie verfügen. Einem Richter oder Staatsanwalt, dessen Kenntnisse auf diesen Gebieten nicht belegt sind, sollen die Aufgaben eines Jugendrichters oder Jugendstaatsanwalts erstmals nur zugewiesen werden, wenn der Erwerb der Kenntnisse durch die Wahrnehmung von einschlägigen Fortbildungsangeboten oder eine anderweitige einschlägige Weiterqualifizierung alsbald zu erwarten ist.
(2) Von den Anforderungen des Absatzes 1 kann bei Richtern und Staatsanwälten, die nur im Bereitschaftsdienst zur Wahrnehmung jugendgerichtlicher oder jugendstaatsanwaltlicher Aufgaben eingesetzt werden, abgewichen werden, wenn andernfalls ein ordnungsgemäßer und den betroffenen Richtern und Staatsanwälten zumutbarer Betrieb des Bereitschaftsdiensts nicht gewährleistet wäre.
(3) Als Jugendrichter beim Amtsgericht oder als Vorsitzender einer Jugendkammer sollen nach Möglichkeit Personen eingesetzt werden, die bereits über Erfahrungen aus früherer Wahrnehmung jugendgerichtlicher oder jugendstaatsanwaltlicher Aufgaben verfügen. Davon kann bei Richtern, die nur im Bereitschaftsdienst Geschäfte des Jugendrichters wahrnehmen, abgewichen werden. Ein Richter auf Probe darf im ersten Jahr nach seiner Ernennung Geschäfte des Jugendrichters nicht wahrnehmen.
§ 37a Zusammenarbeit in gemeinsamen Gremien
(1) Jugendrichter und Jugendstaatsanwälte können zum Zweck einer abgestimmten Aufgabenwahrnehmung fallübergreifend mit öffentlichen Einrichtungen und sonstigen Stellen, deren Tätigkeit sich auf die Lebenssituation junger Menschen auswirkt, zusammenarbeiten, insbesondere durch Teilnahme an gemeinsamen Konferenzen und Mitwirkung in vergleichbaren gemeinsamen Gremien.
(2) An einzelfallbezogener derartiger Zusammenarbeit sollen Jugendstaatsanwälte teilnehmen, wenn damit aus ihrer Sicht die Erreichung des Ziels nach § 2 Absatz 1 gefördert wird.
§ 38 Jugendgerichtshilfe
(1) Die Jugendgerichtshilfe wird von den
Jugendämtern im Zusammenwirken mit den Vereinigungen für Jugendhilfe ausgeübt.
(2) Die Vertreter der Jugendgerichtshilfe bringen die erzieherischen, sozialen und sonstigen im Hinblick auf die Ziele und Aufgaben der Jugendhilfe bedeutsamen Gesichtspunkte im Verfahren vor den Jugendgerichten zur Geltung. Sie unterstützen zu diesem Zweck die beteiligten Behörden durch Erforschung der Persönlichkeit, der Entwicklung und des familiären, sozialen und wirtschaftlichen Hintergrundes des Jugendlichen und äußern sich zu einer möglichen besonderen Schutzbedürftigkeit sowie zu den Maßnahmen, die zu ergreifen sind.
(3) Sobald es im Verfahren von Bedeutung ist, soll über das Ergebnis der Nachforschungen nach Absatz 2 möglichst zeitnah Auskunft gegeben werden. In Haftsachen berichten die Vertreter der Jugendgerichtshilfe beschleunigt über das Ergebnis ihrer Nachforschungen. Bei einer wesentlichen Änderung der nach Absatz 2 bedeutsamen Umstände führen sie nötigenfalls ergänzende Nachforschungen durch und berichten der Jugendstaatsanwaltschaft und nach Erhebung der Anklage auch dem Jugendgericht darüber.
(4) Ein Vertreter der Jugendgerichtshilfe nimmt an der Hauptverhandlung teil, soweit darauf nicht nach Absatz 7 verzichtet wird. Entsandt werden soll die Person, die die
Nachforschungen angestellt hat. Erscheint trotz rechtzeitiger Mitteilung nach § 50 Absatz 3 Satz 1 kein Vertreter der Jugendgerichtshilfe in der Hauptverhandlung und ist kein Verzicht nach Absatz 7 erklärt worden, so kann dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe auferlegt werden, die dadurch verursachten Kosten zu ersetzen; § 51 Absatz 2 der Strafprozessordnung gilt entsprechend.
(5) Soweit nicht ein Bewährungshelfer dazu berufen ist, wacht die Jugendgerichtshilfe darüber, dass der Jugendliche Weisungen und Auflagen nachkommt. Erhebliche Zuwiderhandlungen teilt sie dem Jugendgericht mit. Im Fall der Unterstellung nach § 10 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5 übt sie die Betreuung und Aufsicht aus, wenn das Jugendgericht nicht eine andere Person damit betraut. Während der Bewährungszeit arbeitet sie eng mit dem Bewährungshelfer zusammen. Während des Vollzugs bleibt sie mit dem Jugendlichen in Verbindung und nimmt sich seiner Wiedereingliederung in die Gemeinschaft an.
(6) Im gesamten Verfahren gegen einen Jugendlichen ist die Jugendgerichtshilfe heranzuziehen. Dies soll so früh wie möglich geschehen. Vor der Erteilung von Weisungen (§ 10) sind die Vertreter der Jugendgerichtshilfe stets zu hören; kommt eine Betreuungsweisung in Betracht, sollen sie sich auch dazu äußern, wer als Betreuungshelfer bestellt werden soll.
(7) Das Jugendgericht und im Vorverfahren
die Jugendstaatsanwaltschaft können auf die
Erfüllung der Anforderungen des Absatzes 3
und auf Antrag der Jugendgerichtshilfe auf
die Erfüllung der Anforderungen des
Absatzes 4 Satz 1 verzichten, soweit dies
auf Grund der Umstände des Falles
gerechtfertigt und mit dem Wohl des
Jugendlichen vereinbar ist. Der Verzicht ist
der Jugendgerichtshilfe und den weiteren am
Verfahren Beteiligten möglichst frühzeitig
mitzuteilen. Im Vorverfahren kommt ein
Verzicht insbesondere in Betracht, wenn zu
erwarten ist, dass das Verfahren ohne
Erhebung der öffentlichen Klage
abgeschlossen wird. Der Verzicht auf die
Anwesenheit eines Vertreters der
Jugendgerichtshilfe in der Hauptverhandlung
kann sich auf Teile der Hauptverhandlung
beschränken. Er kann auch während der
Hauptverhandlung erklärt werden und bedarf
in diesem Fall keines Antrags.
Zweiter Abschnitt Zuständigkeit
§ 39 Sachliche Zuständigkeit des
Jugendrichters
(1) Der Jugendrichter ist zuständig für
Verfehlungen Jugendlicher, wenn nur
Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel, nach
diesem Gesetz zulässige Nebenstrafen und
Nebenfolgen oder die Entziehung der
Fahrerlaubnis zu erwarten sind und der
Staatsanwalt Anklage beim Strafrichter
erhebt. Der Jugendrichter ist nicht zuständig
in Sachen, die nach § 103 gegen Jugendliche
und Erwachsene verbunden sind, wenn für
die Erwachsenen nach allgemeinen
Vorschriften der Richter beim Amtsgericht
nicht zuständig wäre. § 209 Abs. 2 der
Strafprozeßordnung gilt entsprechend.
(2) Der Jugendrichter darf auf Jugendstrafe
von mehr als einem Jahr nicht erkennen; die
Unterbringung in einem psychiatrischen
Krankenhaus darf er nicht anordnen.
§ 40 Sachliche Zuständigkeit des Jugendschöffengerichts
(1) Das Jugendschöffengericht ist zuständig für alle Verfehlungen, die nicht zur Zuständigkeit eines anderen Jugendgerichts gehören. § 209 der Strafprozeßordnung gilt entsprechend.
(2) Das Jugendschöffengericht kann bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens von Amts wegen die Entscheidung der Jugendkammer darüber herbeiführen, ob sie eine Sache wegen ihres besonderen Umfangs übernehmen will.
(3) Vor Erlaß des Übernahmebeschlusses fordert der Vorsitzende der Jugendkammer den Angeschuldigten auf, sich innerhalb einer zu bestimmenden Frist zu erklären, ob er die Vornahme einzelner Beweiserhebungen vor der Hauptverhandlung beantragen will.
(4) Der Beschluß, durch den die Jugendkammer die Sache übernimmt oder
die Übernahme ablehnt, ist nicht anfechtbar. Der Übernahmebeschluß ist mit dem Eröffnungsbeschluß zu verbinden.
§ 41 Sachliche Zuständigkeit der Jugendkammer
(1) Die Jugendkammer ist als erkennendes Gericht des ersten Rechtszuges zuständig in Sachen,
1. die nach den allgemeinen Vorschriften einschließlich der Regelung des § 74e des Gerichtsverfassungsgesetzes zur Zuständigkeit des Schwurgerichts gehören,
2. die sie nach Vorlage durch das Jugendschöffengericht wegen ihres besonderen Umfangs übernimmt (§ 40 Abs. 2),
3. die nach § 103 gegen Jugendliche und Erwachsene verbunden sind, wenn für die Erwachsenen nach allgemeinen Vorschriften eine große Strafkammer zuständig wäre,
4. bei denen die Staatsanwaltschaft wegen der besonderen Schutzbedürftigkeit von Verletzten der Straftat, die als Zeugen in Betracht kommen, Anklage bei der Jugendkammer erhebt und
5. bei denen dem Beschuldigten eine Tat der in § 7 Abs. 2 bezeichneten Art vorgeworfen wird und eine höhere Strafe als fünf Jahre Jugendstrafe oder die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu
erwarten ist.
(2) Die Jugendkammer ist außerdem zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel der Berufung gegen die Urteile des Jugendrichters und des Jugendschöffengerichts. Sie trifft auch die in § 73 Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes bezeichneten Entscheidungen.
§ 42 Örtliche Zuständigkeit
(1) Neben dem Richter, der nach dem allgemeinen Verfahrensrecht oder nach besonderen Vorschriften zuständig ist, sind zuständig
1. der Richter, dem die familiengerichtlichen Erziehungsaufgaben für den Beschuldigten obliegen,
2. der Richter, in dessen Bezirk sich der auf freiem Fuß befindliche Beschuldigte zur Zeit der Erhebung der Anklage aufhält,
3. solange der Beschuldigte eine Jugendstrafe noch nicht vollständig verbüßt hat, der Richter, dem die Aufgaben des Vollstreckungsleiters obliegen.
(2) Der Staatsanwalt soll die Anklage nach Möglichkeit vor dem Richter erheben, dem die familiengerichtlichen Erziehungsaufgaben obliegen, solange aber der Beschuldigte eine Jugendstrafe noch nicht vollständig verbüßt hat, vor dem Richter, dem die Aufgaben des
Vollstreckungsleiters obliegen.
(3) Wechselt der Angeklagte seinen Aufenthalt, so kann der Richter das Verfahren mit Zustimmung des Staatsanwalts an den Richter abgeben, in dessen Bezirk sich der Angeklagte aufhält. Hat der Richter, an den das Verfahren abgegeben worden ist, gegen die Übernahme Bedenken, so entscheidet das gemeinschaftliche obere Gericht.
Dritter Abschnitt Jugendstrafverfahren
Erster Unterabschnitt Das Vorverfahren
§ 43 Umfang der Ermittlungen
(1) Nach Einleitung des Verfahrens sollen so bald wie möglich die Lebens- und Familienverhältnisse, der Werdegang, das bisherige Verhalten des Beschuldigten und alle übrigen Umstände ermittelt werden, die zur Beurteilung seiner seelischen, geistigen und charakterlichen Eigenart dienen können. Der Erziehungsberechtigte und der gesetzliche Vertreter, die Schule und der Ausbildende sollen, soweit möglich, gehört werden. Die Anhörung der Schule oder des Ausbildenden unterbleibt, wenn der Jugendliche davon unerwünschte Nachteile, namentlich den Verlust seines Ausbildungs- oder Arbeitsplatzes, zu besorgen hätte. § 38 Absatz 6 und § 70 Absatz 2 sind zu
beachten.
(2) Soweit erforderlich, ist eine Untersuchung des Beschuldigten, namentlich zur Feststellung seines Entwicklungsstandes oder anderer für das Verfahren wesentlicher Eigenschaften, herbeizuführen. Nach Möglichkeit soll ein zur Untersuchung von Jugendlichen befähigter Sachverständiger mit der Durchführung der Anordnung beauftragt werden.
§ 44 Vernehmung des Beschuldigten bei zu erwartender Jugendstrafe
Ist Jugendstrafe zu erwarten, so soll der Staatsanwalt oder der Vorsitzende des Jugendgerichts den Beschuldigten vernehmen, ehe die Anklage erhoben wird.
§ 45 Absehen von der Verfolgung
(1) Der Staatsanwalt kann ohne Zustimmung des Richters von der Verfolgung absehen, wenn die Voraussetzungen des § 153 der Strafprozeßordnung vorliegen.
(2) Der Staatsanwalt sieht von der Verfolgung ab, wenn eine erzieherische Maßnahme bereits durchgeführt oder eingeleitet ist und er weder eine Beteiligung des Richters nach Absatz 3 noch die Erhebung der Anklage für erforderlich hält. Einer erzieherischen Maßnahme steht das Bemühen des Jugendlichen gleich, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Der Staatsanwalt regt die Erteilung
einer Ermahnung, von Weisungen nach § 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4, 7 und 9 oder von Auflagen durch den Jugendrichter an, wenn der Beschuldigte geständig ist und der Staatsanwalt die Anordnung einer solchen richterlichen Maßnahme für erforderlich, die Erhebung der Anklage aber nicht für geboten hält. Entspricht der Jugendrichter der Anregung, so sieht der Staatsanwalt von der Verfolgung ab, bei Erteilung von Weisungen oder Auflagen jedoch nur, nachdem der Jugendliche ihnen nachgekommen ist. § 11 Abs. 3 und § 15 Abs. 3 Satz 2 sind nicht anzuwenden. § 47 Abs. 3 findet entsprechende Anwendung.
§ 46 Wesentliches Ergebnis der Ermittlungen
Der Staatsanwalt soll das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen in der Anklageschrift (§ 200 Abs. 2 der Strafprozeßordnung) so darstellen, daß die Kenntnisnahme durch den Beschuldigten möglichst keine Nachteile für seine Erziehung verursacht.
§ 46a Anklage vor Berichterstattung der Jugendgerichtshilfe
Abgesehen von Fällen des § 38 Absatz 7 darf die Anklage auch dann vor einer Berichterstattung der Jugendgerichtshilfe nach § 38 Absatz 3 erhoben werden, wenn dies dem Wohl des Jugendlichen dient und zu erwarten ist, dass das Ergebnis der Nachforschungen spätestens zu Beginn der Hauptverhandlung zur Verfügung stehen
wird. Nach Erhebung der Anklage ist der Jugendstaatsanwaltschaft und dem Jugendgericht zu berichten.
Zweiter Unterabschnitt Das Hauptverfahren
§ 47 Einstellung des Verfahrens durch den Richter
(1) Ist die Anklage eingereicht, so kann der Richter das Verfahren einstellen, wenn
1. die Voraussetzungen des § 153 der Strafprozeßordnung vorliegen,
2. eine erzieherische Maßnahme im Sinne des § 45 Abs. 2, die eine Entscheidung durch Urteil entbehrlich macht, bereits durchgeführt oder eingeleitet ist,
3. der Richter eine Entscheidung durch Urteil für entbehrlich hält und gegen den geständigen Jugendlichen eine in § 45 Abs. 3 Satz 1 bezeichnete Maßnahme anordnet oder
4. der Angeklagte mangels Reife strafrechtlich nicht verantwortlich ist.
In den Fällen von Satz 1 Nr. 2 und 3 kann der Richter mit Zustimmung des Staatsanwalts das Verfahren vorläufig einstellen und dem Jugendlichen eine Frist von höchstens sechs Monaten setzen, binnen der er den Auflagen, Weisungen oder erzieherischen Maßnahmen nachzukommen hat. Die Entscheidung ergeht durch
Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar.
Kommt der Jugendliche den Auflagen, Weisungen oder erzieherischen Maßnahmen nach, so stellt der Richter das Verfahren ein. § 11 Abs. 3 und § 15 Abs. 3 Satz 2 sind nicht anzuwenden.
(2) Die Einstellung bedarf der Zustimmung des Staatsanwalts, soweit er nicht bereits der vorläufigen Einstellung zugestimmt hat. Der Einstellungsbeschluß kann auch in der Hauptverhandlung ergehen. Er wird mit Gründen versehen und ist nicht anfechtbar. Die Gründe werden dem Angeklagten nicht mitgeteilt, soweit davon Nachteile für die Erziehung zu befürchten sind.
(3) Wegen derselben Tat kann nur auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel von neuem Anklage erhoben werden.
§ 47a Vorrang der Jugendgerichte
Ein Jugendgericht darf sich nach Eröffnung des Hauptverfahrens nicht für unzuständig erklären, weil die Sache vor ein für allgemeine Strafsachen zuständiges Gericht gleicher oder niedrigerer Ordnung gehöre. § 103 Abs. 2 Satz 2, 3 bleibt unberührt.
§ 48 Nichtöffentlichkeit
(1) Die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Verkündung der Entscheidungen ist nicht öffentlich.
(2) Neben den am Verfahren Beteiligten ist dem Verletzten, seinem Erziehungsberechtigten und seinem
gesetzlichen Vertreter und, falls der Angeklagte der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers oder der Betreuung und Aufsicht eines Betreuungshelfers untersteht oder für ihn ein Erziehungsbeistand bestellt ist, dem Helfer und dem Erziehungsbeistand die Anwesenheit gestattet. Das gleiche gilt in den Fällen, in denen dem Jugendlichen Hilfe zur Erziehung in einem Heim oder einer vergleichbaren Einrichtung gewährt wird, für den Leiter der Einrichtung. Andere Personen kann der Vorsitzende aus besonderen Gründen, namentlich zu Ausbildungszwecken, zulassen.
(3) Sind in dem Verfahren auch Heranwachsende oder Erwachsene angeklagt, so ist die Verhandlung öffentlich. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse der Erziehung jugendlicher Angeklagter geboten ist.
§ 49
(weggefallen)
§ 50 Anwesenheit in der Hauptverhandlung
(1) Die Hauptverhandlung kann nur dann ohne den Angeklagten stattfinden, wenn dies im allgemeinen Verfahren zulässig wäre, besondere Gründe dafür vorliegen und die Jugendstaatsanwaltschaft zustimmt.
(2) Der Vorsitzende soll auch die Ladung der Erziehungsberechtigten und der gesetzlichen Vertreter anordnen. Die
Vorschriften über die Ladung, die Folgen des Ausbleibens und die Entschädigung von Zeugen gelten entsprechend.
(3) Der Jugendgerichtshilfe sind Ort und Zeit der Hauptverhandlung in angemessener Frist vor dem vorgesehenen Termin mitzuteilen. Der Vertreter der
Jugendgerichtshilfe erhält in der Hauptverhandlung auf Verlangen das Wort. Ist kein Vertreter der Jugendgerichtshilfe anwesend, kann unter den Voraussetzungen des § 38 Absatz 7 Satz 1 ein schriftlicher Bericht der Jugendgerichtshilfe in der Hauptverhandlung verlesen werden.
(4) Nimmt ein bestellter Bewährungshelfer an der Hauptverhandlung teil, so soll er zu der Entwicklung des Jugendlichen in der Bewährungszeit gehört werden. Satz 1 gilt für einen bestellten Betreuungshelfer und den Leiter eines sozialen Trainingskurses, an dem der Jugendliche teilnimmt, entsprechend.
§ 51 Zeitweilige Ausschließung von Beteiligten
(1) Der Vorsitzende soll den Angeklagten für die Dauer solcher Erörterungen von der Verhandlung ausschließen, aus denen Nachteile für die Erziehung entstehen können. Er hat ihn von dem, was in seiner Abwesenheit verhandelt worden ist, zu unterrichten, soweit es für seine Verteidigung erforderlich ist.
(2) Der Vorsitzende kann auch Erziehungsberechtigte und gesetzliche Vertreter des Angeklagten von der Verhandlung ausschließen, soweit
1. erhebliche erzieherische Nachteile drohen, weil zu befürchten ist, dass durch die Erörterung der persönlichen Verhältnisse des Angeklagten in ihrer Gegenwart eine erforderliche künftige Zusammenarbeit
zwischen den genannten Personen und der Jugendgerichtshilfe bei der Umsetzung zu erwartender jugendgerichtlicher Sanktionen in erheblichem Maße erschwert wird,
2. sie verdächtig sind, an der Verfehlung des Angeklagten beteiligt zu sein, oder soweit sie wegen einer Beteiligung verurteilt sind,
3. eine Gefährdung des Lebens, des Leibes oder der Freiheit des Angeklagten, eines Zeugen oder einer anderen Person oder eine sonstige erhebliche Beeinträchtigung des Wohls des Angeklagten zu besorgen ist,
4. zu befürchten ist, dass durch ihre Anwesenheit die Ermittlung der Wahrheit beeinträchtigt wird, oder
5. Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich eines Verfahrensbeteiligten, Zeugen oder durch eine rechtswidrige Tat Verletzten zur Sprache kommen, deren Erörterung in ihrer Anwesenheit schutzwürdige Interessen verletzen würde, es sei denn, das Interesse der Erziehungsberechtigten und gesetzlichen
Vertreter an der Erörterung dieser Umstände in ihrer Gegenwart überwiegt.
Der Vorsitzende kann in den Fällen des Satzes 1 Nr. 3 bis 5 auch Erziehungsberechtigte und gesetzliche Vertreter des Verletzten von der Verhandlung ausschließen, im Fall der Nummer 3 auch dann, wenn eine sonstige erhebliche Beeinträchtigung des Wohls des Verletzten zu besorgen ist.
Erziehungsberechtigte und gesetzliche Vertreter sind auszuschließen, wenn die Voraussetzungen des Satzes 1 Nr. 5 vorliegen und der Ausschluss von der Person, deren Lebensbereich betroffen ist, beantragt wird. Satz 1 Nr. 5 gilt nicht, soweit die Personen, deren Lebensbereiche betroffen sind, in der Hauptverhandlung dem Ausschluss widersprechen.
(3) § 177 des Gerichtsverfassungsgesetzes gilt entsprechend.
(4) In den Fällen des Absatzes 2 ist vor einem Ausschluss auf ein einvernehmliches Verlassen des Sitzungssaales hinzuwirken. Der Vorsitzende hat die Erziehungsberechtigten und gesetzlichen Vertreter des Angeklagten, sobald diese wieder anwesend sind, in geeigneter Weise von dem wesentlichen Inhalt dessen zu unterrichten, was während ihrer Abwesenheit ausgesagt oder sonst verhandelt worden ist.
(5) Der Ausschluss von
Erziehungsberechtigten und gesetzlichen Vertretern nach den Absätzen 2 und 3 ist auch zulässig, wenn sie zum Beistand (§ 69) bestellt sind.
(6) Werden die Erziehungsberechtigten und die gesetzlichen Vertreter für einen nicht unerheblichen Teil der Hauptverhandlung ausgeschlossen, so ist für die Dauer ihres Ausschlusses von dem Vorsitzenden einer anderen für den Schutz der Interessen des Jugendlichen geeigneten volljährigen Person die Anwesenheit zu gestatten. Dem Jugendlichen soll Gelegenheit gegeben werden, eine volljährige Person seines Vertrauens zu bezeichnen. Die anwesende andere geeignete Person erhält in der Hauptverhandlung auf Verlangen das Wort. Wird keiner sonstigen anderen Person nach Satz 1 die Anwesenheit gestattet, muss ein für die Betreuung des Jugendlichen in dem Jugendstrafverfahren zuständiger Vertreter der Jugendhilfe anwesend sein.
(7) Sind in der Hauptverhandlung keine Erziehungsberechtigten und keine gesetzlichen Vertreter anwesend, weil sie binnen angemessener Frist nicht erreicht werden konnten, so gilt Absatz 6 entsprechend.
§ 51a Neubeginn der Hauptverhandlung
Ergibt sich erst während der Hauptverhandlung, dass die Mitwirkung eines Verteidigers nach § 68 Nummer 5 notwendig ist, so ist mit der
Hauptverhandlung von neuem zu beginnen, wenn der Jugendliche nicht von Beginn der Hauptverhandlung an verteidigt war.
§ 52 Berücksichtigung von Untersuchungshaft bei Jugendarrest
Wird auf Jugendarrest erkannt und ist dessen Zweck durch Untersuchungshaft oder eine andere wegen der Tat erlittene Freiheitsentziehung ganz oder teilweise erreicht, so kann der Richter im Urteil aussprechen, daß oder wieweit der Jugendarrest nicht vollstreckt wird.
§ 52a Anrechnung von Untersuchungshaft bei Jugendstrafe
(1) Hat der Angeklagte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf die Jugendstrafe angerechnet. Der Richter kann jedoch anordnen, daß die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Angeklagten nach der Tat oder aus erzieherischen Gründen nicht gerechtfertigt ist. Erzieherische Gründe liegen namentlich vor, wenn bei Anrechnung der Freiheitsentziehung die noch erforderliche erzieherische Einwirkung auf den Angeklagten nicht gewährleistet ist.
(2) (weggefallen)
§ 53 Überweisung an das Familiengericht
Der Richter kann dem Familiengericht im Urteil die Auswahl und Anordnung von Erziehungsmaßregeln überlassen, wenn er nicht auf Jugendstrafe erkennt. Das Familiengericht muß dann eine Erziehungsmaßregel anordnen, soweit sich nicht die Umstände, die für das Urteil maßgebend waren, verändert haben.
$54 Urteilsgründe
(1) Wird der Angeklagte schuldig gesprochen, so wird in den Urteilsgründen. auch ausgeführt, welche Umstände für seine Bestrafung, für die angeordneten Maßnahmen, für die Überlassung ihrer Auswahl und Anordnung an das Familiengericht oder für das Absehen von. Zuchtmitteln und Strafe bestimmend waren. Dabei soll namentlich die seelische, geistige und körperliche Eigenart des Angeklagten berücksichtigt werden.
(2) Die Urteilsgründe werden dem Angeklagten nicht mitgeteilt, soweit davon Nachteile für die Erziehung zu befürchten sind.
Dritter Unterabschnitt Rechtsmittelverfahren
$55 Anfechtung von Entscheidungen
(1) Eine Entscheidung, in der lediglich Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel angeordnet oder die Auswahl und Anordnung von Erziehungsmaßregeln dem
Familiengericht überlassen sind, kann nicht wegen des Umfangs der Maßnahmen und nicht deshalb angefochten werden, weil andere oder weitere Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel hätten angeordnet werden sollen oder weil die Auswahl und Anordnung der Erziehungsmaßregeln dem Familiengericht überlassen worden sind. Diese Vorschrift gilt nicht, wenn der Richter angeordnet hat, Hilfe zur Erziehung nach § 12 Nr. 2 in Anspruch zu nehmen.
(2) Wer eine zulässige Berufung eingelegt hat, kann gegen das Berufungsurteil nicht mehr Revision einlegen. Hat der Angeklagte, der Erziehungsberechtigte oder der gesetzliche Vertreter eine zulässige Berufung eingelegt, so steht gegen das Berufungsurteil keinem von ihnen das Rechtsmittel der Revision zu.
(3) Der Erziehungsberechtigte oder der gesetzliche Vertreter kann das von ihm eingelegte Rechtsmittel nur mit Zustimmung des Angeklagten zurücknehmen.
(4) Soweit ein Beteiligter nach Absatz 1 Satz 1 an der Anfechtung einer Entscheidung gehindert ist oder nach Absatz 2 kein Rechtsmittel gegen die Berufungsentscheidung einlegen kann, gilt § 356a der Strafprozessordnung entsprechend.
§ 56 Teilvollstreckung einer Einheitsstrafe
(1) Ist ein Angeklagter wegen mehrerer Straftaten zu einer Einheitsstrafe verurteilt
worden, so kann das Rechtsmittelgericht vor
der Hauptverhandlung das Urteil für einen
Teil der Strafe als vollstreckbar erklären,
wenn die Schuldfeststellungen bei einer
Straftat oder bei mehreren Straftaten nicht
beanstandet worden sind. Die Anordnung ist
nur zulässig, wenn sie dem
wohlverstandenen Interesse des
Angeklagten entspricht. Der Teil der Strafe
darf nicht über die Strafe hinausgehen, die
einer Verurteilung wegen der Straftaten
entspricht, bei denen die
Schuldfeststellungen nicht beanstandet
worden sind.
(2) Gegen den Beschluß ist sofortige
Beschwerde zulässig.
Vierter Unterabschnitt Verfahren bei
Aussetzung der Jugendstrafe zur
Bewährung
§ 57 Entscheidung über die Aussetzung
(1) Die Aussetzung der Jugendstrafe zur
Bewährung wird im Urteil oder, solange der
Strafvollzug noch nicht begonnen hat,
nachträglich durch Beschluß angeordnet. Ist
die Entscheidung über die Aussetzung nicht
im Urteil vorbehalten worden, so ist für den
nachträglichen Beschluss das Gericht
zuständig, das in der Sache im ersten
Rechtszug erkannt hat; die
Staatsanwaltschaft und der Jugendliche sind
zu hören.
(2) Hat das Gericht die Entscheidung über die Aussetzung nicht einem nachträglichen
Beschluss vorbehalten oder die Aussetzung
im Urteil oder in einem nachträglichen
Beschluss abgelehnt, so ist ihre
nachträgliche Anordnung nur zulässig, wenn
seit Erlaß des Urteils oder des Beschlusses
Umstände hervorgetreten sind, die allein
oder in Verbindung mit den bereits
bekannten Umständen eine Aussetzung der
Jugendstrafe zur Bewährung rechtfertigen.
(3) Kommen Weisungen oder Auflagen (§
23) in Betracht, so ist der Jugendliche in
geeigneten Fällen zu befragen, ob er
Zusagen für seine künftige Lebensführung
macht oder sich zu Leistungen erbietet, die
der Genugtuung für das begangene Unrecht
dienen. Kommt die Weisung in Betracht,
sich einer heilerzieherischen Behandlung
oder einer Entziehungskur zu unterziehen, so
ist der Jugendliche, der das sechzehnte
Lebensjahr vollendet hat, zu befragen, ob er
hierzu seine Einwilligung gibt.
(4) § 260 Abs. 4 Satz 4 und § 267 Abs. 3
Satz 4 der Strafprozeßordnung gelten
entsprechend.
§ 58 Weitere Entscheidungen
(1) Entscheidungen, die infolge der
Aussetzung erforderlich werden (§§ 22, 23,
24, 26, 26a), trifft der Richter durch
Beschluß. Der Staatsanwalt, der Jugendliche
und der Bewährungshelfer sind zu hören.
Wenn eine Entscheidung nach § 26 oder die
Verhängung von Jugendarrest in Betracht
kommt, ist dem Jugendlichen Gelegenheit
zur mündlichen Äußerung vor dem Richter
zu geben. Der Beschluß ist zu begründen.
(2) Der Richter leitet auch die
Vollstreckung der vorläufigen Maßnahmen
nach § 453c der Strafprozeßordnung.
(3) Zuständig ist der Richter, der die
Aussetzung angeordnet hat. Er kann die
Entscheidungen ganz oder teilweise dem
Jugendrichter übertragen, in dessen Bezirk
sich der Jugendliche aufhält. § 42 Abs. 3
Satz 2 gilt entsprechend.
§ 59 Anfechtung
(1) Gegen eine Entscheidung, durch welche
die Aussetzung der Jugendstrafe angeordnet
oder abgelehnt wird, ist, wenn sie für sich
allein oder nur gemeinsam mit der
Entscheidung über die Anordnung eines
Jugendarrests nach § 16a angefochten wird,
sofortige Beschwerde zulässig. Das gleiche
gilt, wenn ein Urteil nur deshalb angefochten
wird, weil die Strafe nicht ausgesetzt
worden ist.
(2) Gegen eine Entscheidung über die Dauer
der Bewährungszeit (§ 22), die Dauer der
Unterstellungszeit (§ 24), die erneute
Anordnung der Unterstellung in der
Bewährungszeit (§ 24 Abs. 2) und über
Weisungen oder Auflagen (§ 23) ist
Beschwerde zulässig. Sie kann nur darauf
gestützt werden, daß die Bewährungs- oder
die Unterstellungszeit nachträglich
verlängert, die Unterstellung erneut
angeordnet worden oder daß eine getroffene
Anordnung gesetzwidrig ist.
(3) Gegen den Widerruf der Aussetzung der
Jugendstrafe (§ 26 Abs. 1) ist sofortige
Beschwerde zulässig.
(4) Der Beschluß über den Straferlaß (§
26a) ist nicht anfechtbar.
(5) Wird gegen ein Urteil eine zulässige
Revision und gegen eine Entscheidung, die
sich auf eine in dem Urteil angeordnete
Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung
bezieht, Beschwerde eingelegt, so ist das
Revisionsgericht auch zur Entscheidung über
die Beschwerde zuständig.
§ 60 Bewährungsplan
(1) Der Vorsitzende stellt die erteilten
Weisungen und Auflagen in einem
Bewährungsplan zusammen. Er händigt ihn
dem Jugendlichen aus und belehrt ihn
zugleich über die Bedeutung der Aussetzung,
die Bewährungs- und Unterstellungszeit,
die Weisungen und Auflagen sowie über die
Möglichkeit des Widerrufs der Aussetzung.
Zugleich ist ihm aufzugeben, jeden Wechsel
seines Aufenthalts, Ausbildungs- oder
Arbeitsplatzes während der Bewährungszeit
anzuzeigen. Auch bei nachträglichen
Änderungen des Bewährungsplans ist der
Jugendliche über den wesentlichen Inhalt zu
belehren.in den Bewährungsplan eingetragen.
(2) Der Name des Bewährungshelfers wird
in den Bewährungsplan eingetragen.
(3) Der Jugendliche soll durch seine
Unterschrift bestätigen, daß er den
Bewährungsplan gelesen hat, und
versprechen, daß er den Weisungen und
Auflagen nachkommen will. Auch der
Erziehungsberechtigte und der gesetzliche
Vertreter sollen den Bewährungsplan
unterzeichnen.
§ 61 Vorbehalt der nachträglichen
Entscheidung über die Aussetzung
(1) Das Gericht kann im Urteil die
Entscheidung über die Aussetzung der
Jugendstrafe zur Bewährung ausdrücklich
einem nachträglichen Beschluss vorbehalten,
wenn
1. nach Erschöpfung der
Ermittlungsmöglichkeiten die getroffenen
Feststellungen noch nicht die in § 21 Absatz
1 Satz 1 vorausgesetzte Erwartung
begründen können und
2. auf Grund von Ansätzen in der
Lebensführung des Jugendlichen oder
sonstiger bestimmter Umstände die
Aussicht besteht, dass eine solche
Erwartung in absehbarer Zeit (§ 61a Absatz
1) begründet sein wird.
(2) Ein entsprechender Vorbehalt kann auch
ausgesprochen werden, wenn
1. in der Hauptverhandlung Umstände der in
Absatz 1 Nummer 2 genannten Art
hervorgetreten sind, die allein oder in Verbindung mit weiteren Umständen die in § 21 Absatz 1 Satz 1 vorausgesetzte Erwartung begründen könnten.
2. die Feststellungen, die sich auf die nach Nummer 1 bedeutsamen Umstände beziehen, aber weitere Ermittlungen verlangen und
3. die Unterbrechung oder Aussetzung der Hauptverhandlung zu erzieherisch nachteiligen oder unverhältnismäßigen Verzögerungen führen würde.
(3) Wird im Urteil der Vorbehalt
ausgesprochen, gilt § 16a entsprechend. Der
Vorbehalt ist in die Urteilsformel
aufzunehmen. Die Urteilsgründe müssen die
dafür bestimmenden Umstände anführen. Bei
der Verkündung des Urteils ist der
Jugendliche über die Bedeutung des
Vorbehalts und seines Verhaltens in der Zeit
bis zu der nachträglichen Entscheidung zu
belehren.
§ 61a Frist und Zuständigkeit für die
vorbehaltene Entscheidung
(1) Die vorbehaltene Entscheidung ergeht
spätestens sechs Monate nach Eintritt der
Rechtskraft des Urteils. Das Gericht kann
mit dem Vorbehalt eine kürzere Höchstfrist
festsetzen. Aus besonderen Gründen und mit
dem Einverständnis des Verurteilten kann
die Frist nach Satz 1 oder 2 durch Beschluss
auf höchstens neun Monate seit Eintritt der
Rechtskraft des Urteils verlängert werden.
(2) Zuständig für die vorbehaltene
Entscheidung ist das Gericht, in dessen
Urteil die zugrunde liegenden tatsächlichen
Feststellungen letztmalig geprüft werden
konnten.
§ 61b Weitere Entscheidungen bei Vorbehalt
der Entscheidung über die Aussetzung
(1) Das Gericht kann dem Jugendlichen für
die Zeit zwischen Eintritt der Rechtskraft
des Urteils und dem Ablauf der nach § 61a
Absatz 1 maßgeblichen Frist Weisungen und
Auflagen erteilen; die §§ 10, 15 Absatz 1
und 2, § 23 Absatz 1 Satz 1 bis 3, Absatz 2
gelten entsprechend. Das Gericht soll den
Jugendlichen für diese Zeit der Aufsicht und
Betreuung eines Bewährungshelfers
unterstellen; darauf soll nur verzichtet
werden, wenn ausreichende Betreuung und
Überwachung durch die Jugendgerichtshilfe
gewährleistet sind. Im Übrigen sind die §§
24 und 25 entsprechend anzuwenden.
Bewährungshilfe und Jugendgerichtshilfe
arbeiten eng zusammen. Dabei dürfen sie
wechselseitig auch personenbezogene Daten
über den Verurteilten übermitteln, soweit
dies für eine sachgemäße Erfüllung der
Betreuungs- und Überwachungsaufgaben
der jeweils anderen Stelle erforderlich ist.
Für die Entscheidungen nach diesem Absatz
gelten § 58 Absatz 1 Satz 1, 2 und 4, Absatz
3 Satz 1 und § 59 Absatz 2 und 5
entsprechend. Die Vorschriften des § 60
sind sinngemäß anzuwenden.
(2) Ergeben sich vor Ablauf der nach § 61a
Absatz 1 maßgeblichen Frist hinreichende
Gründe für die Annahme, dass eine
Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung
abgelehnt wird, so gelten § 453c der
Strafprozessordnung und § 58 Absatz 2 und
3 Satz 1 entsprechend.
(3) Wird die Jugendstrafe zur Bewährung
ausgesetzt, so wird die Zeit vom Eintritt der
Rechtskraft des Urteils, in dem die
Aussetzung einer nachträglichen
Entscheidung vorbehalten wurde, bis zum
Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung
über die Aussetzung auf die nach § 22
bestimmte Bewährungszeit angerechnet.
(4) Wird die Aussetzung abgelehnt, so kann
das Gericht Leistungen, die der Jugendliche
zur Erfüllung von Weisungen, Auflagen,
Zusagen oder Anerbieten erbracht hat, auf
die Jugendstrafe anrechnen. Das Gericht hat
die Leistungen anzurechnen, wenn die
Rechtsfolgen der Tat andernfalls das Maß
der Schuld übersteigen würden. Im Hinblick
auf Jugendarrest, der nach § 16a verhängt
wurde (§ 61 Absatz 3 Satz 1), gilt § 26
Absatz 3 Satz 3 entsprechend.
Fünfter Unterabschnitt Verfahren bei
Aussetzung der Verhängung der
Jugendstrafe
§ 62 Entscheidungen
(1) Entscheidungen nach den §§ 27 und 30
ergehen auf Grund einer Hauptverhandlung
durch Urteil. Für die Entscheidung über die
Aussetzung der Verhängung der
Jugendstrafe gilt § 267 Abs. 3 Satz 4 der
Strafprozeßordnung sinngemäß.
(2) Mit Zustimmung des Staatsanwalts kann
die Tilgung des Schuldspruchs nach Ablauf
der Bewährungszeit auch ohne
Hauptverhandlung durch Beschluß
angeordnet werden.
(3) Ergibt eine während der Bewährungszeit
durchgeführte Hauptverhandlung nicht, daß
eine Jugendstrafe erforderlich ist (§ 30 Abs.
1), so ergeht der Beschluß, daß die
Entscheidung über die Verhängung der
Strafe ausgesetzt bleibt.
(4) Für die übrigen Entscheidungen, die
infolge einer Aussetzung der Verhängung
der Jugendstrafe erforderlich werden, gilt §
58 Abs. 1 Satz 1, 2 und 4 und Abs. 3 Satz 1
sinngemäß.
§ 63 Anfechtung
(1) Ein Beschluß, durch den der
Schuldspruch nach Ablauf der
Bewährungszeit getilgt wird (§ 62 Abs. 2)
oder die Entscheidung über die Verhängung
der Jugendstrafe ausgesetzt bleibt (§ 62
Abs. 3), ist nicht anfechtbar.
(2) Im übrigen gilt § 59 Abs. 2 und 5
sinngemäß.
§ 64 Bewährungsplan
§ 60 gilt sinngemäß. Der Jugendliche ist
über die Bedeutung der Aussetzung, die
Bewährungs- und Unterstellungszeit, die
Weisungen und Auflagen sowie darüber zu
belehren, daß er die Festsetzung einer
Jugendstrafe zu erwarten habe, wenn er sich
während der Bewährungszeit schlecht führe.
Sechster Unterabschnitt Ergänzende
Entscheidungen
§ 65 Nachträgliche Entscheidungen über
Weisungen und Auflagen
(1) Nachträgliche Entscheidungen, die sich
auf Weisungen (§ 11 Abs. 2, 3) oder
Auflagen (§ 15 Abs. 3) beziehen, trifft der
Richter des ersten Rechtszuges nach
Anhören des Staatsanwalts und des
Jugendlichen durch Beschluß. Soweit
erforderlich, sind der Vertreter der
Jugendgerichtshilfe, der nach § 10 Abs. 1
Satz 3 Nr. 5 bestellte Betreuungshelfer und
der nach § 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 tätige
Leiter eines sozialen Trainingskurses zu
hören. Wenn die Verhängung von
Jugendarrest in Betracht kommt, ist dem
Jugendlichen Gelegenheit zur mündlichen
Äußerung vor dem Richter zu geben. Der
Richter kann das Verfahren an den
Jugendrichter abgeben, in dessen Bezirk sich
der Jugendliche aufhält, wenn dieser seinen
Aufenthalt gewechselt hat. § 42 Abs. 3 Satz
2 gilt entsprechend.
(2) Hat der Richter die Änderung von
Weisungen abgelehnt, so ist der Beschluß
nicht anfechtbar. Hat er Jugendarrest
verhängt, so ist gegen den Beschluß
sofortige Beschwerde zulässig. Diese hat
aufschiebende Wirkung.
§ 66 Ergänzung rechtskräftiger
Entscheidungen bei mehrfacher Verurteilung
(1) Ist die einheitliche Festsetzung von
Maßnahmen oder Jugendstrafe (§ 31)
unterblieben und sind die durch die
rechtskräftigen Entscheidungen erkannten
Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel und
Strafen noch nicht vollständig ausgeführt,
verbüßt oder sonst erledigt, so trifft der
Richter eine solche Entscheidung
nachträglich. Dies gilt nicht, soweit der
Richter nach § 31 Abs. 3 von der
Einbeziehung rechtskräftig abgeurteilter
Straftaten abgesehen hatte.
(2) Die Entscheidung ergeht auf Grund einer
Hauptverhandlung durch Urteil, wenn der
Staatsanwalt es beantragt oder der
Vorsitzende es für angemessen hält. Wird
keine Hauptverhandlung durchgeführt, so
entscheidet der Richter durch Beschluß. Für
die Zuständigkeit und das Beschlußverfahren
gilt dasselbe wie für die nachträgliche
Bildung einer Gesamtstrafe nach den
allgemeinen Vorschriften. Ist eine
Jugendstrafe teilweise verbüßt, so ist der
Richter zuständig, dem die Aufgaben des
Vollstreckungsleiters obliegen.
Siebenter Unterabschnitt Gemeinsame
Verfahrensvorschriften
§ 67 Stellung der Erziehungsberechtigten und
der gesetzlichen Vertreter
(1) Soweit der Beschuldigte ein Recht
darauf hat, gehört zu werden oder Fragen
und Anträge zu stellen, steht dieses Recht
auch den Erziehungsberechtigten und den
gesetzlichen Vertretern zu.
(2) Die Rechte der gesetzlichen Vertreter
zur Wahl eines Verteidigers und zur
Einlegung von Rechtsbehelfen stehen auch
den Erziehungsberechtigten zu.
(3) Bei Untersuchungshandlungen, bei denen
der Jugendliche ein Recht darauf hat,
anwesend zu sein, namentlich bei seiner
Vernehmung, ist den Erziehungsberechtigten
und den gesetzlichen Vertretern die
Anwesenheit gestattet, soweit
1. dies dem Wohl des Jugendlichen dient und
2. ihre Anwesenheit das Strafverfahren
nicht beeinträchtigt.
Die Voraussetzungen des Satzes 1 Nummer
1 und 2 sind in der Regel erfüllt, wenn
keiner der in § 51 Absatz 2 genannten
Ausschlussgründe und keine entsprechend §
177 des Gerichtsverfassungsgesetzes zu
behandelnde Missachtung einer zur
Aufrechterhaltung der Ordnung getroffenen
Anordnung vorliegt. Ist kein
Erziehungsberechtigter und kein gesetzlicher
Vertreter anwesend, weil diesen die
Anwesenheit versagt wird oder weil binnen
angemessener Frist kein
Erziehungsberechtigter und kein gesetzlicher
Vertreter erreicht warden konnte, so ist
einer anderen für den Schutz der Interessen
des Jugendlichen geeigneten volljährigen
Person die Anwesenheit zu gestatten, wenn
die Voraussetzungen des Satzes 1 Nummer
1 und 2 im Hinblick auf diese Person erfüllt
sind.
(4) Das Jugendgericht kann die Rechte nach
den Absätzen 1 bis 3
Erziehungsberechtigten und gesetzlichen
Vertretern entziehen, soweit sie verdächtig
sind, an der Verfehlung des Beschuldigten
beteiligt zu sein, oder soweit sie wegen
einer Beteiligung verurteilt sind. Liegen die
Voraussetzungen des Satzes 1 bei einem
Erziehungsberechtigten oder einem
gesetzlichen Vertreter vor, so kann der
Richter die Entziehung gegen beide
aussprechen, wenn ein Mißbrauch der
Rechte zu befürchten ist. Stehen den
Erziehungsberechtigten und den gesetzlichen
Vertretern ihre Rechte nicht mehr zu, so
bestellt das Familiengericht einen Pfleger
zur Wahrnehmung der Interessen des
Beschuldigten im anhängigen Strafverfahren.
Die Hauptverhandlung wird bis zur
Bestellung des Pflegers ausgesetzt.
(5) Sind mehrere erziehungsberechtigt, so
kann jeder von ihnen die in diesem Gesetz
bestimmten Rechte der
Erziehungsberechtigten ausüben. In der
Hauptverhandlung oder in einer sonstigen
gerichtlichen Verhandlung werden
abwesende Erziehungsberechtigte als durch
anwesende vertreten angesehen. Sind
Mitteilungen oder Ladungen vorgeschrieben,
so genügt es, wenn sie an eine
erziehungsberechtigte Person gerichtet
werden.
§ 67a Unterrichtung der
Erziehungsberechtigten und der gesetzlichen
Vertreter
(1) Ist eine Mitteilung an den Beschuldigten
vorgeschrieben, so soll die entsprechende
Mitteilung an die Erziehungsberechtigten
und die gesetzlichen Vertreter gerichtet
werden.
(2) Die Informationen, die der Jugendliche
nach § 70a zu erhalten hat, sind jeweils so
bald wie möglich auch den
Erziehungsberechtigten und den gesetzlichen
Vertretern zu erteilen. Wird dem
Jugendlichen einstweilig die Freiheit
entzogen, sind die Erziehungsberechtigten
und die gesetzlichen Vertreter so bald wie
möglich über den Freiheitsentzug und die
Gründe hierfür zu unterrichten.
(3) Mitteilungen und Informationen nach
den Absätzen 1 und 2 an
Erziehungsberechtigte und gesetzliche
Vertreter unterbleiben, soweit
1. auf Grund der Unterrichtung eine
erhebliche Beeinträchtigung des Wohls des
Jugendlichen zu besorgen wäre,
insbesondere bei einer Gefährdung des
Lebens, des Leibes oder der Freiheit des
Jugendlichen oder bei Vorliegen der
Voraussetzungen des § 67 Absatz 4 Satz 1
oder 2,
2. auf Grund der Unterrichtung der Zweck
der Untersuchung erheblich gefährdet würde
oder
3. Erziehungsberechtigte oder gesetzliche
Vertreter binnen angemessener Frist nicht
erreicht werden können.
(4) Werden nach Absatz 3 weder
Erziehungsberechtigte noch gesetzliche
Vertreter unterrichtet, so ist eine andere für
den Schutz der Interessen des Jugendlichen
geeignete volljährige Person zu unterrichten.
Dem Jugendlichen soll zuvor Gelegenheit
gegeben werden, eine volljährige Person
seines Vertrauens zu bezeichnen. Eine
andere geeignete volljährige Person kann
auch der für die Betreuung des Jugendlichen
in dem Jugendstrafverfahren zuständige
Vertreter der Jugendgerichtshilfe sein.
(5) Liegen Gründe, aus denen Mitteilungen
und Informationen nach Absatz 3
unterbleiben können, nicht mehr vor, so sind
im weiteren Verfahren vorgeschriebene
Mitteilungen und Informationen auch wieder
an die betroffenen Erziehungsberechtigten
und gesetzlichen Vertreter zu richten.
Außerdem erhalten sie in diesem Fall
nachträglich auch solche Mitteilungen und
Informationen, die der Jugendliche nach §
70a bereits erhalten hat, soweit diese im
Laufe des Verfahrens von Bedeutung bleiben
oder sobald sie Bedeutung erlangen.
(6) Für den dauerhaften Entzug der Rechte
nach den Absätzen 1 und 2 findet das
Verfahren nach § 67 Absatz 4 entsprechende
Anwendung.
§ 68 Notwendige Verteidigung
Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt vor, wenn
1. im Verfahren gegen einen Erwachsenen ein Fall der notwendigen Verteidigung vorliegen würde,
2. den Erziehungsberechtigten und den gesetzlichen Vertretern ihre Rechte nach diesem Gesetz entzogen sind,
3. die Erziehungsberechtigten und die gesetzlichen Vertreter nach § 51 Abs. 2 von der Verhandlung ausgeschlossen worden sind und die Beeinträchtigung in der Wahrnehmung ihrer Rechte durch eine nachträgliche Unterrichtung (§ 51 Abs. 4 Satz 2) oder die Anwesenheit einer anderen geeigneten volljährigen Person nicht hinreichend ausgeglichen werden kann,
4. zur Vorbereitung eines Gutachtens über den Entwicklungsstand des Beschuldigten (§ 73) seine Unterbringung in einer Anstalt in Frage kommt oder
5. die Verhängung einer Jugendstrafe, die Aussetzung der Verhängung einer
Jugendstrafe oder die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt zu erwarten ist.
§ 68a Zeitpunkt der Bestellung eines
Pflichtverteidigers
(1) In den Fällen der notwendigen
Verteidigung wird dem Jugendlichen, der
noch keinen Verteidiger hat, ein
Pflichtverteidiger spätestens bestellt, bevor
eine Vernehmung des Jugendlichen oder eine
Gegenüberstellung mit ihm durchgeführt
wird. Dies gilt nicht, wenn ein Fall der
notwendigen Verteidigung allein deshalb
vorliegt, weil dem Jugendlichen ein
Verbrechen zur Last gelegt wird, ein
Absehen von der Strafverfolgung nach § 45
Absatz 2 oder 3 zu erwarten ist und die
Bestellung eines Pflichtverteidigers zu dem
in Satz 1 genannten Zeitpunkt auch unter
Berücksichtigung des Wohls des
Jugendlichen und der Umstände des
Einzelfalls unverhältnismäßig wäre.
(2) § 141 Absatz 2 Satz 2 der
Strafprozessordnung ist nicht anzuwenden.
§ 68b Vernehmungen und
Gegenüberstellungen vor der Bestellung
eines Pflichtverteidigers
Abweichend von § 68a Absatz 1 dürfen im
Vorverfahren Vernehmungen des
Jugendlichen oder Gegenüberstellungen mit
ihm vor der Bestellung eines
Pflichtverteidigers durchgeführt werden, soweit dies auch unter Berücksichtigung des Wohls des Jugendlichen
1. zur Abwehr schwerwiegender nachteiliger Auswirkungen auf Leib oder Leben oder die Freiheit einer Person dringend erforderlich ist oder
2. ein sofortiges Handeln der Strafverfolgungsbehörden zwingend geboten ist, um eine erhebliche Gefährdung eines sich auf eine schwere Straftat beziehenden Strafverfahrens abzuwenden.
Das Recht des Jugendlichen, jederzeit, auch schon vor der Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen, bleibt unberührt.
§ 69 Beistand
(1) Der Vorsitzende kann dem
Beschuldigten in jeder Lage des Verfahrens
einen Beistand bestellen, wenn kein Fall der
notwendigen Verteidigung vorliegt.
(2) Der Erziehungsberechtigte und der
gesetzliche Vertreter dürfen nicht zum
Beistand bestellt werden, wenn hierdurch
ein Nachteil für die Erziehung zu erwarten
wäre.
(3) Dem Beistand kann Akteneinsicht
gewährt werden. Im übrigen hat er in der
Hauptverhandlung die Rechte eines
Verteidigers. Zu einer Vertretung des
Angeklagten ist er nicht befugt.
§ 70 Mitteilungen an amtliche Stellen
(1) Die Jugendgerichtshilfe, in geeigneten
Fällen auch das Familiengericht und die
Schule werden von der Einleitung und dem
Ausgang des Verfahrens unterrichtet. Sie
benachrichtigen die
Jugendstaatsanwaltschaft, wenn ihnen
bekannt wird, daß gegen den Beschuldigten
noch ein anderes Strafverfahren anhängig
ist. Das Familiengericht teilt der
Jugendstaatsanwaltschaft ferner
familiengerichtliche Maßnahmen sowie ihre
Änderung und Aufhebung mit, soweit nicht
für das Familiengericht erkennbar ist, daß
schutzwürdige Interessen des Beschuldigten
oder einer sonst von der Mitteilung
betroffenen Person oder Stelle an dem
Ausschluß der Übermittlung überwiegen.
(2) Von der Einleitung des Verfahrens ist
die Jugendgerichtshilfe spätestens zum
Zeitpunkt der Ladung des Jugendlichen zu
seiner ersten Vernehmung als Beschuldigter
zu unterrichten. Im Fall einer ersten
Beschuldigtenvernehmung ohne vorherige
Ladung muss die Unterrichtung spätestens
unverzüglich nach der Vernehmung erfolgen.
(3) Im Fall des einstweiligen Entzugs der
Freiheit des Jugendlichen teilen die den
Freiheitsentzug durchführenden Stellen der
Jugendstaatsanwaltschaft und dem
Jugendgericht von Amts wegen Erkenntnisse
mit, die sie auf Grund einer medizinischen
Untersuchung erlangt haben, soweit diese
Anlass zu Zweifeln geben, ob der
Jugendliche verhandlungsfähig oder
bestimmten Untersuchungshandlungen oder
Maßnahmen gewachsen ist. Im Übrigen
bleibt § 114e der Strafprozessordnung
unberührt.
§ 70a Unterrichtung des Jugendlichen
(1) Wenn der Jugendliche davon in Kenntnis
gesetzt wird, dass er Beschuldigter ist, so
ist er unverzüglich über die Grundzüge eines
Jugendstrafverfahrens zu informieren. Über
die nächsten anstehenden Schritte in dem
gegen ihn gerichteten Verfahren wird er
ebenfalls unverzüglich informiert, sofern der
Zweck der Untersuchung dadurch nicht
gefährdet wird. Außerdem ist der
Jugendliche unverzüglich darüber zu
unterrichten, dass
1. nach Maßgabe des § 67a die Erziehungsberechtigten und die gesetzlichen Vertreter oder eine andere geeignete volljährige Person zu informieren sind,
2. er in den Fällen notwendiger Verteidigung (§ 68) nach Maßgabe des § 141 der Strafprozessordnung und des § 68a die Mitwirkung eines Verteidigers und nach Maßgabe des § 70c Absatz 4 die Verschiebung oder Unterbrechung seiner Vernehmung für eine angemessene Zeit
verlangen kann,
3. nach Maßgabe des § 48 die Verhandlung
vor dem erkennenden Gericht grundsätzlich nicht öffentlich ist und dass er bei einer ausnahmsweise öffentlichen Hauptverhandlung unter bestimmten Voraussetzungen den Ausschluss der Öffentlichkeit oder einzelner Personen beantragen kann,
4. er nach § 70c Absatz 2 Satz 4 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 58a Absatz 2 Satz 6 und Absatz 3 Satz 1 der Strafprozessordnung der Überlassung einer Kopie der Aufzeichnung seiner Vernehmung in Bild und Ton an die zur Akteneinsicht Berechtigten widersprechen kann und dass die Überlassung der Aufzeichnung oder die Herausgabe von Kopien an andere Stellen seiner Einwilligung bedarf,
5. er nach Maßgabe des § 67 Absatz 3 bei Untersuchungshandlungen von seinen Erziehungsberechtigten und seinen gesetzlichen Vertretern oder einer anderen geeigneten volljährigen Person begleitet werden kann,
6. er wegen einer mutmaßlichen Verletzung seiner Rechte durch eine der beteiligten Behörden oder durch das Gericht eine Überprüfung der betroffenen Maßnahmen und Entscheidungen verlangen kann.
(2) Soweit dies im Verfahren von
Bedeutung ist oder sobald dies im Verfahren
Bedeutung erlangt, ist der Jugendliche
außerdem so früh wie möglich über
Folgendes zu informieren:
1. die Berücksichtigung seiner persönlichen Verhältnisse und Bedürfnisse im Verfahren nach Maßgabe der §§ 38, 43 und 46a,
2. das Recht auf medizinische Untersuchung, das ihm nach Maßgabe des Landesrechts oder des Rechts der Polizeien des Bundes im Fall des einstweiligen Entzugs der Freiheit zusteht, sowie über das Recht auf medizinische Unterstützung, sofern sich ergibt, dass eine solche während dieses
Freiheitsentzugs erforderlich ist,
3. die Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Fall des einstweiligen Entzugs der Freiheit, namentlich
a) des Vorrangs anderer Maßnahmen, durch die der Zweck des Freiheitsentzugs erreicht werden kann,
b) der Begrenzung des Freiheitsentzugs auf den kürzesten angemessenen Zeitraum und
c) der Berücksichtigung der besonderen Belastungen durch den Freiheitsentzug im Hinblick auf sein Alter und seinen Entwicklungsstand sowie der Berücksichtigung einer anderen besonderen Schutzwürdigkeit,
4. die zur Haftvermeidung in geeigneten Fällen generell in Betracht kommenden anderen Maßnahmen,
5. die vorgeschriebenen Überprüfungen von Amts wegen in Haftsachen,
6. das Recht auf Anwesenheit der Erziehungsberechtigten und der gesetzlichen Vertreter oder einer anderen geeigneten volljährigen Person in der Hauptverhandlung,
7. sein Recht auf und seine Pflicht zur Anwesenheit in der Hauptverhandlung nach Maßgabe des § 50 Absatz 1 und des § 51 Absatz 1.
(3) Wird Untersuchungshaft gegen den Jugendlichen vollstreckt, so ist er außerdem darüber zu informieren, dass
1. nach Maßgabe des § 89c seine Unterbringung getrennt von Erwachsenen zu erfolgen hat,
2. nach Maßgabe der Vollzugsgesetze der Länder
a) Fürsorge für seine gesundheitliche, körperliche und geistige Entwicklung zu leisten ist,
b) sein Recht auf Erziehung und Ausbildung zu gewährleisten ist,
c) sein Recht auf Familienleben und dabei die Möglichkeit, seine Erziehungsberechtigten und seine gesetzlichen Vertreter zu treffen, zu gewährleisten ist,
d) ihm der Zugang zu Programmen und Maßnahmen zu gewährleisten ist, die seine
Entwicklung und Wiedereingliederung fördern, und
e) ihm die Religions- und Weltanschauungsfreiheit zu gewährleisten ist.
(4) Im Fall eines anderen einstweiligen Entzugs der Freiheit als der
Untersuchungshaft ist der Jugendliche über seine dafür geltenden Rechte entsprechend Absatz 3 Nummer 2 zu informieren, im Fall einer polizeilichen Ingewahrsamnahme auch über sein Recht auf die von Erwachsenen getrennte Unterbringung nach den dafür maßgeblichen Vorschriften.
(5) § 70b dieses Gesetzes und § 168b Absatz 3 der Strafprozessordnung gelten entsprechend.
(6) Sofern einem verhafteten Jugendlichen eine schriftliche Belehrung nach § 114b der Strafprozessordnung ausgehändigt wird, muss diese auch die zusätzlichen Informationen nach diesem Paragrafen enthalten.
(7) Sonstige Informations- und Belehrungspflichten bleiben von den Bestimmungen dieses Paragrafen unberührt.
§ 70b Belehrungen
(1) Vorgeschriebene Belehrungen des Jugendlichen müssen in einer Weise erfolgen, die seinem Alter und seinem Entwicklungs- und Bildungsstand
entspricht. Sie sind auch an seine anwesenden Erziehungsberechtigten und gesetzlichen Vertreter zu richten und müssen dabei in einer Weise erfolgen, die es diesen ermöglicht, ihrer Verantwortung im Hinblick auf den Gegenstand der Belehrung gerecht zu werden. Sind Erziehungsberechtigte und gesetzliche Vertreter bei der Belehrung des Jugendlichen über die Bedeutung vom
Gericht angeordneter Rechtsfolgen nicht anwesend, muss ihnen die Belehrung darüber schriftlich erteilt werden.
(2) Sind bei einer Belehrung über die Bedeutung der Aussetzung einer Jugendstrafe zur Bewährung oder über die Bedeutung des Vorbehalts einer diesbezüglichen nachträglichen Entscheidung auch jugendliche oder heranwachsende Mitangeklagte anwesend, die nur zu Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln verurteilt werden, soll die Belehrung auch ihnen ein Verständnis von der Bedeutung der Entscheidung vermitteln.
§ 70c Vernehmung des Beschuldigten
(1) Die Vernehmung des Beschuldigten ist in einer Art und Weise durchzuführen, die seinem Alter und seinem Entwicklungs- und Bildungsstand Rechnung trägt.
(2) Außerhalb der Hauptverhandlung kann die Vernehmung in Bild und Ton aufgezeichnet werden. Andere als richterliche Vernehmungen sind in Bild und
Ton aufzuzeichnen, wenn zum Zeitpunkt der Vernehmung die Mitwirkung eines Verteidigers notwendig ist, ein Verteidiger aber nicht anwesend ist. Im Übrigen bleibt § 136 Absatz 4 Satz 2 der Strafprozessordnung, auch in Verbindung mit § 163a Absatz 3 Satz 2 oder Absatz 4 Satz 2 der Strafprozessordnung, unberührt. Wird die Vernehmung in Bild und Ton aufgezeichnet, gilt § 58a Absatz 2 und 3 der Strafprozessordnung entsprechend.
(3) Eine Aufzeichnung in Bild und Ton nach Absatz 2 lässt die Vorschriften der Strafprozessordnung über die Protokollierung von Untersuchungshandlungen unberührt. Wird eine Vernehmung des Beschuldigten außerhalb der Hauptverhandlung nicht in Bild und Ton aufgezeichnet, ist über sie stets ein Protokoll aufzunehmen.
(4) Ist oder wird die Mitwirkung eines Verteidigers zum Zeitpunkt einer Vernehmung des Beschuldigten oder einer Gegenüberstellung (§ 58 Absatz 2 der Strafprozessordnung) notwendig, ist diese für eine angemessene Zeit zu verschieben oder zu unterbrechen, wenn ein Verteidiger nicht anwesend ist und kein Fall des § 68b vorliegt. Satz 1 gilt nicht, wenn der Verteidiger ausdrücklich auf seine Anwesenheit verzichtet hat.
§ 71 Vorläufige Anordnungen über die
Erziehung
(1) Bis zur Rechtskraft des Urteils kann der
Richter vorläufige Anordnungen über die
Erziehung des Jugendlichen treffen oder die
Gewährung von Leistungen nach dem Achten
Buch Sozialgesetzbuch anregen.
(2) Der Richter kann die einstweilige
Unterbringung in einem geeigneten Heim der
Jugendhilfe anordnen, wenn dies auch im
Hinblick auf die zu erwartenden Maßnahmen
geboten ist, um den Jugendlichen vor einer
weiteren Gefährdung seiner Entwicklung,
insbesondere vor der Begehung neuer
Straftaten, zu bewahren. Für die
einstweilige Unterbringung gelten die §§ 114
bis 115a, 117 bis 118b, 120, 125 und 126
der Strafprozeßordnung sinngemäß. Die
Ausführung der einstweiligen Unterbringung
richtet sich nach den für das Heim der
Jugendhilfe geltenden Regelungen.
§ 72 Untersuchungshaft
(1) Untersuchungshaft darf nur verhängt
und vollstreckt werden, wenn ihr Zweck
nicht durch eine vorläufige Anordnung über
die Erziehung oder durch andere
Maßnahmen erreicht werden kann. Bei der
Prüfung der Verhältnismäßigkeit (§ 112
Abs. 1 Satz 2 der Strafprozeßordnung) sind
auch die besonderen Belastungen des
Vollzuges für Jugendliche zu
berücksichtigen. Wird Untersuchungshaft
verhängt, so sind im Haftbefehl die Gründe
anzuführen, aus denen sich ergibt, daß
andere Maßnahmen, insbesondere die
einstweilige Unterbringung in einem Heim
der Jugendhilfe, nicht ausreichen und die
Untersuchungshaft nicht unverhältnismäßig
ist.
(2) Solange der Jugendliche das sechzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist die Verhängung von Untersuchungshaft wegen Fluchtgefahr nur zulässig, wenn er
1. sich dem Verfahren bereits entzogen hatte oder Anstalten zur Flucht getroffen hat oder
2. im Geltungsbereich dieses Gesetzes keinen festen Wohnsitz oder Aufenthalt hat.
(3) Über die Vollstreckung eines
Haftbefehls und über die Maßnahmen zur
Abwendung seiner Vollstreckung
entscheidet der Richter, der den Haftbefehl
erlassen hat, in dringenden Fällen der
Jugendrichter, in dessen Bezirk die
Untersuchungshaft vollzogen werden müßte.
(4) Unter denselben Voraussetzungen, unter
denen ein Haftbefehl erlassen werden kann,
kann auch die einstweilige Unterbringung in
einem Heim der Jugendhilfe (§ 71 Abs. 2)
angeordnet werden. In diesem Falle kann
der Richter den Unterbringungsbefehl
nachträglich durch einen Haftbefehl
ersetzen, wenn sich dies als notwendig
erweist.
(5) Befindet sich ein Jugendlicher in
Untersuchungshaft, so ist das Verfahren mit
besonderer Beschleunigung durchzuführen.
(6) Die richterlichen Entscheidungen,
welche die Untersuchungshaft betreffen,
kann der zuständige Richter aus wichtigen
Gründen sämtlich oder zum Teil einem
anderen Jugendrichter übertragen.
§ 72a Heranziehung der Jugendgerichtshilfe
in Haftsachen
Die Jugendgerichtshilfe ist unverzüglich von
der Vollstreckung eines Haftbefehls zu
unterrichten; ihr soll bereits der Erlaß eines
Haftbefehls mitgeteilt werden. Von der
vorläufigen Festnahme eines Jugendlichen
ist die Jugendgerichtshilfe zu unterrichten,
wenn nach dem Stand der Ermittlungen zu
erwarten ist, daß der Jugendliche gemäß §
128 der Strafprozeßordnung dem Richter
vorgeführt wird.
§ 72b Verkehr mit Vertretern der
Jugendgerichtshilfe, dem Betreuungshelfer
und dem Erziehungsbeistand
Befindet sich ein Jugendlicher in
Untersuchungshaft, so ist auch den
Vertretern der Jugendgerichtshilfe der
Verkehr mit dem Beschuldigten in
demselben Umfang wie einem Verteidiger
gestattet. Entsprechendes gilt, wenn der
Beschuldigte der Betreuung und Aufsicht
eines Betreuungshelfers untersteht oder für
ihn ein Erziehungsbeistand bestellt ist, für
den Helfer oder den Erziehungsbeistand.
§ 73 Unterbringung zur Beobachtung
(1) Zur Vorbereitung eines Gutachtens über
den Entwicklungsstand des Beschuldigten
kann der Richter nach Anhören eines
Sachverständigen und des Verteidigers
anordnen, daß der Beschuldigte in eine zur
Untersuchung Jugendlicher geeignete
Anstalt gebracht und dort beobachtet wird.
Im vorbereitenden Verfahren entscheidet
der Richter, der für die Eröffnung des
Hauptverfahrens zuständig wäre.
(2) Gegen den Beschluß ist sofortige
Beschwerde zulässig. Sie hat aufschiebende
Wirkung.
(3) Die Verwahrung in der Anstalt darf die
Dauer von sechs Wochen nicht
überschreiten.
§ 74 Kosten und Auslagen
Im Verfahren gegen einen Jugendlichen kann
davon abgesehen werden, dem Angeklagten
Kosten und Auslagen aufzuerlegen.
Achter Unterabschnitt Vereinfachtes
Jugendverfahren
§ 75
(weggefallen)
§ 76 Voraussetzungen des vereinfachten
Jugendverfahrens
Der Staatsanwalt kann bei dem
Jugendrichter schriftlich oder mündlich
beantragen, im vereinfachten
Jugendverfahren zu entscheiden, wenn zu
erwarten ist, daß der Jugendrichter
ausschließlich Weisungen erteilen, die
Erziehungsbeistandschaft anordnen,
Zuchtmittel verhängen, auf ein Fahrverbot
erkennen, die Fahrerlaubnis entziehen und
eine Sperre von nicht mehr als zwei Jahren
festsetzen oder die Einziehung aussprechen
wird. Der Antrag des Staatsanwalts steht
der Anklage gleich.
§ 77 Ablehnung des Antrags
(1) Der Jugendrichter lehnt die
Entscheidung im vereinfachten Verfahren ab,
wenn sich die Sache hierzu nicht eignet,
namentlich wenn die Anordnung von Hilfe
zur Erziehung im Sinne des § 12 Nr. 2 oder
die Verhängung von Jugendstrafe
wahrscheinlich oder eine umfangreiche
Beweisaufnahme erforderlich ist. Der
Beschluß kann bis zur Verkündung des
Urteils ergehen. Er ist nicht anfechtbar.
(2) Lehnt der Jugendrichter die
Entscheidung im vereinfachten Verfahren ab,
so reicht der Staatsanwalt eine
Anklageschrift ein.
§ 78 Verfahren und Entscheidung
(1) Der Jugendrichter entscheidet im
vereinfachten Jugendverfahren auf Grund
einer mündlichen Verhandlung durch Urteil.
Er darf auf Hilfe zur Erziehung im Sinne des
§ 12 Nr. 2, Jugendstrafe oder Unterbringung
in einer Entziehungsanstalt nicht erkennen.
(2) Der Staatsanwalt ist nicht verpflichtet,
an der Verhandlung teilzunehmen. Nimmt er
nicht teil, so bedarf es seiner Zustimmung
zu einer Einstellung des Verfahrens in der
Verhandlung oder zur Durchführung der
Verhandlung in Abwesenheit des
Angeklagten nicht.
(3) Zur Vereinfachung, Beschleunigung und
jugendgemäßen Gestaltung des Verfahrens
darf von Verfahrensvorschriften abgewichen
werden, soweit dadurch die Erforschung der
Wahrheit nicht beeinträchtigt wird. Die
Vorschriften über die Anwesenheit des
Angeklagten (§ 50), die Stellung der
Erziehungsberechtigten und der gesetzlichen
Vertreter und deren Unterrichtung (§§ 67,
67a), die Mitteilungen an amtliche Stellen (§
70) und die Unterrichtung des Jugendlichen
(§ 70a) müssen beachtet werden. Bleibt der
Beschuldigte der mündlichen Verhandlung
fern und ist sein Fernbleiben nicht genügend
entschuldigt, so kann die Vorführung
angeordnet werden, wenn dies mit der
Ladung angedroht worden ist.
Neunter Unterabschnitt Ausschluß
von Vorschriften des allgemeinen
Verfahrensrechts
§ 79 Strafbefehl und beschleunigtes
Verfahren
(1) Gegen einen Jugendlichen darf kein
Strafbefehl erlassen werden.
(2) Das beschleunigte Verfahren des
allgemeinen Verfahrensrechts ist unzulässig.
§ 80 Privatklage und Nebenklage
(1) Gegen einen Jugendlichen kann
Privatklage nicht erhoben werden. Eine
Verfehlung, die nach den allgemeinen
Vorschriften durch Privatklage verfolgt
werden kann, verfolgt der Staatsanwalt auch
dann, wenn Gründe der Erziehung oder ein
berechtigtes Interesse des Verletzten, das
dem Erziehungszweck nicht entgegensteht,
es erfordern.
(2) Gegen einen jugendlichen Privatkläger
ist Widerklage zulässig. Auf Jugendstrafe
darf nicht erkannt werden.
(3) Der erhobenen öffentlichen Klage kann
sich als Nebenkläger nur anschließen, wer
verletzt worden ist
1. durch ein Verbrechen gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder nach § 239 Absatz 3, § 239a oder § 239b des Strafgesetzbuches, durch welches das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist,
2. durch einen besonders schweren Fall eines Vergehens nach § 177 Absatz 6 des Strafgesetzbuches, durch welches das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, oder
3. durch ein Verbrechen nach § 251 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255 des Strafgesetzbuches.
Im Übrigen gelten § 395 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 4 und 5 und §§ 396 bis 402 der Strafprozessordnung entsprechend.
§ 81 Adhäsionsverfahren
Die Vorschriften der Strafprozeßordnung
über das Adhäsionsverfahren (§§ 403 bis
406c der Strafprozeßordnung) werden im
Verfahren gegen einen Jugendlichen nicht
angewendet.
Zehnter Unterabschnitt Anordnung der
Sicherungsverwahrung
§ 81a Verfahren und Entscheidung
Für das Verfahren und die Entscheidung
über die Anordnung der Unterbringung in
der Sicherungsverwahrung gelten § 275a der
Strafprozessordnung und die §§ 74f und
120a des Gerichtsverfassungsgesetzes
sinngemäß.
Drittes Hauptstück Vollstreckung und
Vollzug
Erster Abschnitt Vollstreckung
Erster Unterabschnitt Verfassung der
Vollstreckung und Zuständigkeit
§ 82 Vollstreckungsleiter
(1) Vollstreckungsleiter ist der
Jugendrichter. Er nimmt auch die Aufgaben
wahr, welche die Strafprozeßordnung der
Strafvollstreckungskammer zuweist.
(2) Soweit der Richter Hilfe zur Erziehung
im Sinne des § 12 angeordnet hat, richtet
sich die weitere Zuständigkeit nach den
Vorschriften des Achten Buches
Sozialgesetzbuch.
(3) In den Fällen des § 7 Abs. 2 und 4
richten sich die Vollstreckung der
Unterbringung und die Zuständigkeit hierfür
nach den Vorschriften der
Strafprozessordnung, wenn der Betroffene
das einundzwanzigste Lebensjahr vollendet
hat.
§ 83 Entscheidungen im
Vollstreckungsverfahren
(1) Die Entscheidungen des
Vollstreckungsleiters nach den §§ 86 bis 89a
und 89b Abs. 2 sowie nach den §§ 462a und
463 der Strafprozeßordnung sind
jugendrichterliche Entscheidungen.
(2) Für die bei der Vollstreckung notwendig
werdenden gerichtlichen Entscheidungen
gegen eine vom Vollstreckungsleiter
getroffene Anordnung ist die Jugendkammer
in den Fällen zuständig, in denen
1. der Vollstreckungsleiter selbst oder unter seinem Vorsitz das Jugendschöffengericht im ersten Rechtszug erkannt hat,
2. der Vollstreckungsleiter in Wahrnehmung der Aufgaben der Strafvollstreckungskammer über seine eigene Anordnung zu entscheiden hätte.
(3) Die Entscheidungen nach den Absätzen
1 und 2 können, soweit nichts anderes
bestimmt ist, mit sofortiger Beschwerde
angefochten werden. Die §§ 67 bis 69 gelten
sinngemäß.
§ 84 Örtliche Zuständigkeit
(1) Der Jugendrichter leitet die
Vollstreckung in allen Verfahren ein, in
denen er selbst oder unter seinem Vorsitz
das Jugendschöffengericht im ersten
Rechtszuge erkannt hat.
(2) Soweit, abgesehen von den Fällen des
Absatzes 1, die Entscheidung eines anderen
Richters zu vollstrecken ist, steht die
Einleitung der Vollstreckung dem
Jugendrichter des Amtsgerichts zu, dem die
familiengerichtlichen Erziehungsaufgaben
obliegen. Ist in diesen Fällen der Verurteilte
volljährig, steht die Einleitung der
Vollstreckung dem Jugendrichter des
Amtsgerichts zu, dem die
familiengerichtlichen Erziehungsaufgaben bei
noch fehlender Volljährigkeit oblägen.
(3) In den Fällen der Absätze 1 und 2 führt
der Jugendrichter die Vollstreckung durch,
soweit § 85 nichts anderes bestimmt.
§ 85 Abgabe und Übergang der Vollstreckung
(1) Ist Jugendarrest zu vollstrecken, so gibt
der zunächst zuständige Jugendrichter die
Vollstreckung an den Jugendrichter ab, der
nach § 90 Abs. 2 Satz 2 als Vollzugsleiter
zuständig ist.
(2) Ist Jugendstrafe zu vollstrecken, so geht
nach der Aufnahme des Verurteilten in die
Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe
die Vollstreckung auf den Jugendrichter des
Amtsgerichts über, in dessen Bezirk die
Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe
liegt. Die Landesregierungen werden
ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu
bestimmen, daß die Vollstreckung auf den
Jugendrichter eines anderen Amtsgerichts
übergeht, wenn dies aus verkehrsmäßigen
Gründen günstiger erscheint. Die
Landesregierungen können die Ermächtigung
durch Rechtsverordnung auf die
Landesjustizverwaltungen übertragen.
(3) Unterhält ein Land eine Einrichtung für
den Vollzug der Jugendstrafe auf dem Gebiet
eines anderen Landes, so können die
beteiligten Länder vereinbaren, daß der
Jugendrichter eines Amtsgerichts des
Landes, das die Einrichtung für den Vollzug
der Jugendstrafe unterhält, zuständig sein
soll. Wird eine solche Vereinbarung
getroffen, so geht die Vollstreckung auf den
Jugendrichter des Amtsgerichts über, in
dessen Bezirk die für die Einrichtung für den
Vollzug der Jugendstrafe zuständige
Aufsichtsbehörde ihren Sitz hat. Die
Regierung des Landes, das die Einrichtung
für den Vollzug der Jugendstrafe unterhält,
wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu
bestimmen, daß der Jugendrichter eines
anderen Amtsgerichts zuständig wird, wenn
dies aus verkehrsmäßigen Gründen
günstiger erscheint. Die Landesregierung
kann die Ermächtigung durch
Rechtsverordnung auf die
Landesjustizverwaltung übertragen.
(4) Absatz 2 gilt entsprechend bei der
Vollstreckung einer Maßregel der Besserung
und Sicherung nach § 61 Nr. 1 oder 2 des
Strafgesetzbuches.
(5) Aus wichtigen Gründen kann der
Vollstreckungsleiter die Vollstreckung
widerruflich an einen sonst nicht oder nicht
mehr zuständigen Jugendrichter abgeben.
(6) Hat der Verurteilte das
vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet, so
kann der nach den Absätzen 2 bis 4
zuständige Vollstreckungsleiter die
Vollstreckung einer nach den Vorschriften
des Strafvollzugs für Erwachsene
vollzogenen Jugendstrafe oder einer
Maßregel der Besserung und Sicherung an
die nach den allgemeinen Vorschriften
zuständige Vollstreckungsbehörde abgeben,
wenn der Straf- oder Maßregelvollzug
voraussichtlich noch länger dauern wird und
die besonderen Grundgedanken des
Jugendstrafrechts unter Berücksichtigung
der Persönlichkeit des Verurteilten für die
weiteren Entscheidungen nicht mehr
maßgebend sind; die Abgabe ist bindend.
Mit der Abgabe sind die Vorschriften der
Strafprozeßordnung und des
Gerichtsverfassungsgesetzes über die
Strafvollstreckung anzuwenden.
(7) Für die Zuständigkeit der
Staatsanwaltschaft im
Vollstreckungsverfahren gilt § 451 Abs. 3
der Strafprozeßordnung entsprechend.
Zweiter Unterabschnitt Jugendarrest
§ 86 Umwandlung des Freizeitarrestes
Der Vollstreckungsleiter kann Freizeitarrest
in Kurzarrest umwandeln, wenn die
Voraussetzungen des § 16 Abs. 3
nachträglich eingetreten sind.
§ 87 Vollstreckung des Jugendarrestes
(1) Die Vollstreckung des Jugendarrestes
wird nicht zur Bewährung ausgesetzt.
(2) Für die Anrechnung von
Untersuchungshaft auf Jugendarrest gilt §
450 der Strafprozeßordnung sinngemäß.
(3) Der Vollstreckungsleiter sieht von der
Vollstreckung des Jugendarrestes ganz oder,
ist Jugendarrest teilweise verbüßt, von der
Vollstreckung des Restes ab, wenn seit
Erlaß des Urteils Umstände hervorgetreten
sind, die allein oder in Verbindung mit den
bereits bekannten Umständen ein Absehen
von der Vollstreckung aus Gründen der
Erziehung rechtfertigen. Sind seit Eintritt
der Rechtskraft sechs Monate verstrichen,
sieht er von der Vollstreckung ganz ab,
wenn dies aus Gründen der Erziehung
geboten ist. Von der Vollstreckung des
Jugendarrestes kann er ganz absehen, wenn
zu erwarten ist, daß der Jugendarrest neben
einer Strafe, die gegen den Verurteilten
wegen einer anderen Tat verhängt worden
ist oder die er wegen einer anderen Tat zu
erwarten hat, seinen erzieherischen Zweck
nicht mehr erfüllen wird. Vor der
Entscheidung hört der Vollstreckungsleiter
nach Möglichkeit das erkennende Gericht,
die Staatsanwaltschaft und die Vertretung
der Jugendgerichtshilfe.
(4) Die Vollstreckung des Jugendarrestes ist unzulässig, wenn seit Eintritt der Rechtskraft ein Jahr verstrichen ist. Im Falle des § 16a darf nach Ablauf von drei Monaten seit Eintritt der Rechtskraft der Vollzug nicht mehr begonnen werden. Jugendarrest, der nach § 16a verhängt wurde und noch nicht verbüßt ist, wird nicht mehr vollstreckt, wenn das Gericht
1. die Aussetzung der Jugendstrafe widerruft (§ 26 Absatz 1),
2. auf eine Jugendstrafe erkennt, deren Verhängung zur Bewährung ausgesetzt worden war (§ 30 Absatz 1 Satz 1), oder
3. die Aussetzung der Jugendstrafe in einem nachträglichen Beschluss ablehnt (§ 61a Absatz 1).
Dritter Unterabschnitt Jugendstrafe
§ 88 Aussetzung des Restes der Jugendstrafe
(1) Der Vollstreckungsleiter kann die
Vollstreckung des Restes der Jugendstrafe
zur Bewährung aussetzen, wenn der
Verurteilte einen Teil der Strafe verbüßt hat
und dies im Hinblick auf die Entwicklung des
Jugendlichen, auch unter Berücksichtigung
des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit,
verantwortet werden kann.
(2) Vor Verbüßung von sechs Monaten darf
die Aussetzung der Vollstreckung des
Restes nur aus besonders wichtigen Gründen
angeordnet werden. Sie ist bei einer
Jugendstrafe von mehr als einem Jahr nur
zulässig, wenn der Verurteilte mindestens
ein Drittel der Strafe verbüßt hat.
(3) Der Vollstreckungsleiter soll in den
Fällen der Absätze 1 und 2 seine
Entscheidung so frühzeitig treffen, daß die
erforderlichen Maßnahmen zur Vorbereitung
des Verurteilten auf sein Leben nach der
Entlassung durchgeführt werden können. Er
kann seine Entscheidung bis zur Entlassung
des Verurteilten wieder aufheben, wenn die
Aussetzung aufgrund neu eingetretener oder
bekanntgewordener Tatsachen im Hinblick
auf die Entwicklung des Jugendlichen, auch
unter Berücksichtigung des
Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit,
nicht mehr verantwortet werden kann.
(4) Der Vollstreckungsleiter entscheidet
nach Anhören des Staatsanwalts und des
Vollzugsleiters. Dem Verurteilten ist
Gelegenheit zur mündlichen Äußerung zu
geben.
(5) Der Vollstreckungsleiter kann Fristen
von höchstens sechs Monaten festsetzen,
vor deren Ablauf ein Antrag des
Verurteilten, den Strafrest zur Bewährung
auszusetzen, unzulässig ist.
(6) Ordnet der Vollstreckungsleiter die
Aussetzung der Vollstreckung des Restes
der Jugendstrafe an, so gelten § 22 Abs. 1,
2 Satz 1 und 2 sowie die §§ 23 bis 26a
sinngemäß. An die Stelle des erkennenden
Richters tritt der Vollstreckungsleiter. Auf
das Verfahren und die Anfechtung von
Entscheidungen sind die §§ 58, 59 Abs. 2 bis
4 und § 60 entsprechend anzuwenden. Die
Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen
den Beschluß, der die Aussetzung des
Strafrestes anordnet, hat aufschiebende
Wirkung.
§ 89 Jugendstrafe bei Vorbehalt der
Entscheidung über die Aussetzung
Hat das Gericht die Entscheidung über die
Aussetzung der Jugendstrafe einem
nachträglichen Beschluss vorbehalten, darf
die Jugendstrafe vor Ablauf der nach § 61a
Absatz 1 maßgeblichen Frist nicht
vollstreckt werden. Dies gilt nicht, wenn die
Aussetzung zuvor in einem auf Grund des
Vorbehalts ergangenen Beschluss abgelehnt
wurde.
§ 89a Unterbrechung und Vollstreckung der
Jugendstrafe neben Freiheitsstrafe
(1) Ist gegen den zu Jugendstrafe
Verurteilten auch Freiheitsstrafe zu
vollstrecken, so wird die Jugendstrafe in der
Regel zuerst vollstreckt. Der
Vollstreckungsleiter unterbricht die
Vollstreckung der Jugendstrafe, wenn die
Hälfte, mindestens jedoch sechs Monate, der
Jugendstrafe verbüßt sind. Er kann die
Vollstreckung zu einem früheren Zeitpunkt
unterbrechen, wenn die Aussetzung des
Strafrestes in Betracht kommt. Ein
Strafrest, der auf Grund des Widerrufs
seiner Aussetzung vollstreckt wird, kann
unterbrochen werden, wenn die Hälfte,
mindestens jedoch sechs Monate, des
Strafrestes verbüßt sind und eine erneute
Aussetzung in Betracht kommt. § 454b Abs.
3 der Strafprozeßordnung gilt entsprechend.
(2) Ist gegen einen Verurteilten außer
lebenslanger Freiheitsstrafe auch
Jugendstrafe zu vollstrecken, so wird, wenn
die letzte Verurteilung eine Straftat betrifft,
die der Verurteilte vor der früheren
Verurteilung begangen hat, nur die
lebenslange Freiheitsstrafe vollstreckt; als
Verurteilung gilt das Urteil in dem
Verfahren, in dem die zugrundeliegenden
tatsächlichen Feststellungen letztmals
geprüft werden konnten. Wird die
Vollstreckung des Restes der lebenslangen
Freiheitsstrafe durch das Gericht zur
Bewährung ausgesetzt, so erklärt das
Gericht die Vollstreckung der Jugendstrafe
für erledigt.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 gilt § 85
Abs. 6 entsprechend mit der Maßgabe, daß
der Vollstreckungsleiter die Vollstreckung
der Jugendstrafe abgeben kann, wenn der
Verurteilte das einundzwanzigste Lebensjahr
vollendet hat.
§ 89b Ausnahme vom Jugendstrafvollzug
(1) An einem Verurteilten, der das 18.
Lebensjahr vollendet hat und sich nicht für
den Jugendstrafvollzug eignet, kann die
Jugendstrafe statt nach den Vorschriften für
den Jugendstrafvollzug nach den
Vorschriften des Strafvollzuges für
Erwachsene vollzogen werden. Hat der
Verurteilte das 24. Lebensjahr vollendet, so
soll Jugendstrafe nach den Vorschriften des
Strafvollzuges für Erwachsene vollzogen
werden.
(2) Über die Ausnahme vom
Jugendstrafvollzug entscheidet der
Vollstreckungsleiter.
Vierter Unterabschnitt
Untersuchungshaft
§ 89c Vollstreckung der Untersuchungshaft
(1) Solange zur Tatzeit Jugendliche das 21.
Lebensjahr noch nicht vollendet haben, wird
die Untersuchungshaft nach den
Vorschriften für den Vollzug der
Untersuchungshaft an jungen Gefangenen
und nach Möglichkeit in den für junge
Gefangene vorgesehenen Einrichtungen
vollzogen. Ist die betroffene Person bei
Vollstreckung des Haftbefehls 21, aber noch
nicht 24 Jahre alt, kann die
Untersuchungshaft nach diesen Vorschriften
und in diesen Einrichtungen vollzogen
werden.
(2) Hat der Jugendliche das 18. Lebensjahr
noch nicht vollendet, darf er mit jungen
Gefangenen, die das 18. Lebensjahr
vollendet haben, nur untergebracht werden,
wenn eine gemeinsame Unterbringung
seinem Wohl nicht widerspricht. Mit
Gefangenen, die das 24. Lebensjahr
vollendet haben, darf er nur untergebracht
werden, wenn dies seinem Wohl dient.
(3) Die Entscheidung nach Absatz 1 Satz 2
trifft das Gericht. Die für die Aufnahme
vorgesehene Einrichtung und die
Jugendgerichtshilfe sind vor der
Entscheidung zu hören.
Zweiter Abschnitt Vollzug
§ 90 Jugendarrest
(1) Der Vollzug des Jugendarrestes soll das
Ehrgefühl des Jugendlichen wecken und ihm
eindringlich zum Bewußtsein bringen, daß er
für das von ihm begangene Unrecht
einzustehen hat. Der Vollzug des
Jugendarrestes soll erzieherisch gestaltet
werden. Er soll dem Jugendlichen helfen, die
Schwierigkeiten zu bewältigen, die zur
Begehung der Straftat beigetragen haben.
(2) Der Jugendarrest wird in
Jugendarrestanstalten oder
Freizeitarresträumen der
Landesjustizverwaltung vollzogen.
Vollzugsleiter ist der Jugendrichter am Ort
des Vollzugs.
§ 91 (weggefallen)
-
§ 92 Rechtsbehelfe im Vollzug
(1) Gegen eine Maßnahme zur Regelung
einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet
des Jugendarrestes, der Jugendstrafe und
der Maßregeln der Unterbringung in einem
psychiatrischen Krankenhaus oder in einer
Entziehungsanstalt (§ 61 Nr. 1 und 2 des
Strafgesetzbuches) oder in der
Sicherungsverwahrung kann gerichtliche
Entscheidung beantragt werden. Für die
Überprüfung von Vollzugsmaßnahmen gelten
die §§ 109 und 111 bis 120 Abs. 1 des
Strafvollzugsgesetzes sowie § 67 Absatz 1,
2 und 5 und § 67a Absatz 1 entsprechend;
das Landesrecht kann vorsehen, dass der
Antrag erst nach einem Verfahren zur
gütlichen Streitbeilegung gestellt werden
kann.
(2) Über den Antrag entscheidet die
Jugendkammer, in deren Bezirk die
beteiligte Vollzugsbehörde ihren Sitz hat.
Die Jugendkammer ist auch für
Entscheidungen nach § 119a des
Strafvollzugsgesetzes zuständig. Unterhält
ein Land eine Einrichtung für den Vollzug
der Jugendstrafe auf dem Gebiet eines
anderen Landes, können die beteiligten
Länder vereinbaren, dass die Jugendkammer
bei dem Landgericht zuständig ist, in dessen
Bezirk die für die Einrichtung zuständige
Aufsichtsbehörde ihren Sitz hat.
(3) Die Jugendkammer entscheidet durch
Beschluss. Sie bestimmt nach Ermessen, ob
eine mündliche Verhandlung durchgeführt
wird. Auf Antrag des Jugendlichen ist dieser
vor einer Entscheidung persönlich
anzuhören. Hierüber ist der Jugendliche zu
belehren. Wird eine mündliche Verhandlung
nicht durchgeführt, findet die Anhörung in
der Regel in der Vollzugseinrichtung statt.
(4) Die Jugendkammer ist außer in den
Fällen des Absatzes 2 Satz 2 mit einem
Richter besetzt. Ein Richter auf Probe darf
dies nur sein, wenn ihm bereits über einen
Zeitraum von einem Jahr
Rechtsprechungsaufgaben in Strafverfahren
übertragen worden sind. Weist die Sache
besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art
auf oder kommt ihr grundsätzliche
Bedeutung zu, legt der Richter die Sache der
Jugendkammer zur Entscheidung über eine
Übernahme vor. Liegt eine der
Voraussetzungen für eine Übernahme vor,
übernimmt die Jugendkammer den Antrag.
Sie entscheidet hierüber durch Beschluss.
Eine Rückübertragung ist ausgeschlossen.
(5) Für die Kosten des Verfahrens gilt §
121 des Strafvollzugsgesetzes mit der
Maßgabe, dass entsprechend § 74 davon
abgesehen werden kann, dem Jugendlichen
Kosten und Auslagen aufzuerlegen.
(6) Wird eine Jugendstrafe gemäß § 89b
Abs. 1 nach den Vorschriften des
Strafvollzugs für Erwachsene vollzogen oder
hat der Jugendliche im Vollzug einer
freiheitsentziehenden Maßregel das
vierundzwanzigste Lebensjahr vollendet,
sind die Absätze 1 bis 5 nicht anzuwenden.
Für die Überprüfung von
Vollzugsmaßnahmen gelten die Vorschriften
der §§ 109 bis 121 des
Strafvollzugsgesetzes.
§ 93 Gerichtliche Zuständigkeit und
gerichtliches Verfahren bei Maßnahmen, die
der vorherigen gerichtlichen Anordnung oder
der gerichtlichen Genehmigung bedürfen
Beim Vollzug des Jugendarrestes, der
Jugendstrafe und der Maßregeln der
Unterbringung in einem psychiatrischen
Krankenhaus oder in einer
Entziehungsanstalt oder in der
Sicherungsverwahrung ist, soweit nach den
Vollzugsgesetzen eine Maßnahme der
vorherigen gerichtlichen Anordnung oder der
gerichtlichen Genehmigung bedarf, das
Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die
Maßnahme durchgeführt wird. Unterhält ein
Land eine Einrichtung für den Vollzug der in
Satz 1 genannten Freiheitsentziehung auf
dem Gebiet eines anderen Landes, können
die beteiligten Länder vereinbaren, dass das
Amtsgericht zuständig ist, in dessen Bezirk
die für die Einrichtung zuständige
Aufsichtsbehörde ihren Sitz hat. Für das
Verfahren gelten § 121b des
Strafvollzugsgesetzes sowie § 67 Absatz 1,
2 und 5 sowie § 67a Absatz 1, 3 und 5
entsprechend.
§ 93a Unterbringung in einer
Entziehungsanstalt
(1) Die Maßregel nach § 61 Nr. 2 des
Strafgesetzbuches wird in einer Einrichtung
vollzogen, in der die für die Behandlung
suchtkranker Jugendlicher erforderlichen
besonderen therapeutischen Mittel und
sozialen Hilfen zur Verfügung stehen.
(2) Um das angestrebte Behandlungsziel zu
erreichen, kann der Vollzug aufgelockert und
weitgehend in freien Formen durchgeführt
werden.
Viertes Hauptstück Beseitigung des
Strafmakels
§§ 94 bis 96 (weggefallen)
§ 97 Beseitigung des Strafmakels durch
Richterspruch
(1) Hat der Jugendrichter die Überzeugung
erlangt, daß sich ein zu Jugendstrafe
verurteilter Jugendlicher durch einwandfreie
Führung als rechtschaffener Mensch
erwiesen hat, so erklärt er von Amts wegen
oder auf Antrag des Verurteilten, des
Erziehungsberechtigten oder des
gesetzlichen Vertreters den Strafmakel als
beseitigt. Dies kann auch auf Antrag des
Staatsanwalts oder, wenn der Verurteilte im
Zeitpunkt der Antragstellung noch
minderjährig ist, auf Antrag des Vertreters
der Jugendgerichtshilfe geschehen. Die
Erklärung ist unzulässig, wenn es sich um
eine Verurteilung nach den §§ 174 bis 180
oder 182 des Strafgesetzbuches handelt.
(2) Die Anordnung kann erst zwei Jahre
nach Verbüßung oder Erlaß der Strafe
ergehen, es sei denn, daß der Verurteilte
sich der Beseitigung des Strafmakels
besonders würdig gezeigt hat. Während des
Vollzugs oder während einer Bewährungszeit
ist die Anordnung unzulässig.
§ 98 Verfahren
(1) Zuständig ist der Jugendrichter des
Amtsgerichts, dem die familiengerichtlichen
Erziehungsaufgaben für den Verurteilten
obliegen. Ist der Verurteilte volljährig, so ist
der Jugendrichter zuständig, in dessen
Bezirk der Verurteilte seinen Wohnsitz hat.
(2) Der Jugendrichter beauftragt mit den
Ermittlungen über die Führung des
Verurteilten und dessen Bewährung
vorzugsweise die Stelle, die den
Verurteilten nach der Verbüßung der Strafe
betreut hat. Er kann eigene Ermittlungen
anstellen. Er hört den Verurteilten und,
wenn dieser minderjährig ist, den
Erziehungsberechtigten und den gesetzlichen
Vertreter, ferner die Schule und die
zuständige Verwaltungsbehörde.
(3) Nach Abschluß der Ermittlungen ist der
Staatsanwalt zu hören.
§ 99 Entscheidung
(1) Der Jugendrichter entscheidet durch
Beschluß.
(2) Hält er die Voraussetzungen für eine
Beseitigung des Strafmakels noch nicht für
gegeben, so kann er die Entscheidung um
höchstens zwei Jahre aufschieben.
(3) Gegen den Beschluß ist sofortige
Beschwerde zulässig.
§ 100 Beseitigung des Strafmakels nach
Erlaß einer Strafe oder eines Strafrestes
Wird die Strafe oder ein Strafrest bei
Verurteilung zu nicht mehr als zwei Jahren
Jugendstrafe nach Aussetzung zur
Bewährung erlassen, so erklärt der Richter
zugleich den Strafmakel als beseitigt. Dies
gilt nicht, wenn es sich um eine Verurteilung
nach den §§ 174 bis 180 oder 182 des
Strafgesetzbuches handelt.
§ 101 Widerruf
Wird der Verurteilte, dessen Strafmakel als
beseitigt erklärt worden ist, vor der Tilgung
des Vermerks wegen eines Verbrechens
oder vorsätzlichen Vergehens erneut zu
Freiheitsstrafe verurteilt, so widerruft der
Richter in dem Urteil oder nachträglich
durch Beschluß die Beseitigung des
Strafmakels. In besonderen Fällen kann er
von dem Widerruf absehen.
Fünftes Hauptstück Jugendliche vor
Gerichten, die für allgemeine
Strafsachen zuständig sind
§ 102 Zuständigkeit
Die Zuständigkeit des Bundesgerichtshofes
und des Oberlandesgerichts werden durch
die Vorschriften dieses Gesetzes nicht
berührt. In den zur Zuständigkeit von
Oberlandesgerichten im ersten Rechtszug
gehörenden Strafsachen (§ 120 Abs. 1 und 2
des Gerichtsverfassungsgesetzes)
entscheidet der Bundesgerichtshof auch über
Beschwerden gegen Entscheidungen dieser
Oberlandesgerichte, durch welche die
Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung
angeordnet oder abgelehnt wird (§ 59 Abs.
1).
§ 103 Verbindung mehrerer Strafsachen
(1) Strafsachen gegen Jugendliche und
Erwachsene können nach den Vorschriften
des allgemeinen Verfahrensrechts verbunden
werden, wenn es zur Erforschung der
Wahrheit oder aus anderen wichtigen
Gründen geboten ist.
(2) Zuständig ist das Jugendgericht. Dies
gilt nicht, wenn die Strafsache gegen
Erwachsene nach den allgemeinen
Vorschriften einschließlich der Regelung des
§ 74e des Gerichtsverfassungsgesetzes zur
Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer
oder der Strafkammer nach § 74a des
Gerichtsverfassungsgesetzes gehört; in
einem solchen Fall sind diese Strafkammern
auch für die Strafsache gegen den
Jugendlichen zuständig. Für die Prüfung der
Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer
und der Strafkammer nach § 74a des
Gerichtsverfassungsgesetzes gelten im Falle
des Satzes 2 die §§ 6a, 225a Abs. 4, § 270
Abs. 1 Satz 2 der Strafprozeßordnung
entsprechend; § 209a der
Strafprozeßordnung ist mit der Maßgabe
anzuwenden, daß diese Strafkammern auch
gegenüber der Jugendkammer einem Gericht
höherer Ordnung gleichstehen.
(3) Beschließt der Richter die Trennung der
verbundenen Sachen, so erfolgt zugleich
Abgabe der abgetrennten Sache an den
Richter, der ohne die Verbindung zuständig
gewesen wäre.
§ 104 Verfahren gegen Jugendliche
(1) In Verfahren gegen Jugendliche vor den
für allgemeine Strafsachen zuständigen
Gerichten gelten die Vorschriften dieses
Gesetzes über
1. Verfehlungen Jugendlicher und ihre
Folgen (§§ 3 bis 32),
2. die Heranziehung und die Rechtsstellung
der Jugendgerichtshilfe (§§ 38, 46a, 50 Abs.
3),
3. den Umfang der Ermittlungen im Vorverfahren (§ 43),
4. das Absehen von der Verfolgung und die Einstellung des Verfahrens durch den Richter (§§ 45, 47),
4a. den Ausschluss der Öffentlichkeit (§ 48 Absatz 3 Satz 2),
5. die Untersuchungshaft (§§ 52, 52a, 72, 89c),
6. die Urteilsgründe (§ 54),
7. das Rechtsmittelverfahren (§§ 55, 56),
8. das Verfahren bei Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung und der Verhängung der Jugendstrafe (§§ 57 bis 64),
9. die Beteiligung und die Rechtsstellung der Erziehungsberechtigten und der gesetzlichen Vertreter (§ 50 Absatz 2, § 51 Absatz 2 bis 7, §§ 67, 67a),
10. die notwendige Verteidigung (§§ 68, 68a),
11. Mitteilungen an amtliche Stellen (§ 70),
11a. die Unterrichtung des Jugendlichen (§ 70a),
11b. Belehrungen (§ 70b),
11c. die Vernehmung des Beschuldigten (§ 70c),
12. die Unterbringung zur Beobachtung (§
73),
13. Kosten und Auslagen (§ 74),
14. den Ausschluß von Vorschriften des allgemeinen Verfahrensrechts (§§ 79 bis 81) und
15. Verfahren und Entscheidung bei Anordnung der Sicherungsverwahrung (§
81a).
(2) Die Anwendung weiterer
Verfahrensvorschriften dieses Gesetzes
steht im Ermessen des Gerichts.
(3) Soweit es aus Gründen der
Staatssicherheit geboten und mit dem Wohl
des Jugendlichen vereinbar ist, kann das
Gericht anordnen, dass die Heranziehung der
Jugendgerichtshilfe unterbleibt und dass die
in § 67 Absatz 1 und 2 genannten Rechte der
Erziehungsberechtigten und der gesetzlichen
Vertreter ruhen.
(4) Hält das Gericht Erziehungsmaßregeln
für erforderlich, so hat es deren Auswahl
und Anordnung dem Familiengericht zu
überlassen. § 53 Satz 2 gilt entsprechend.
(5) Dem Jugendrichter, in dessen Bezirk
sich der Jugendliche aufhält, sind folgende
Entscheidungen zu übertragen:
1. Entscheidungen, die nach einer Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung erforderlich werden;
2. Entscheidungen, die nach einer
Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe erforderlich werden, mit Ausnahme der Entscheidungen über die Festsetzung der Strafe und die Tilgung des Schuldspruchs (§ 30);
3. Entscheidungen, die nach dem Vorbehalt einer nachträglichen Entscheidung über die Aussetzung der Jugendstrafe erforderlich werden, mit Ausnahme der vorbehaltenen Entscheidung selbst (§ 61a).
Dritter Teil Heranwachsende
Erster Abschnitt Anwendung des
sachlichen Strafrechts
§ 105 Anwendung des Jugendstrafrechts auf
Heranwachsende
(1) Begeht ein Heranwachsender eine
Verfehlung, die nach den allgemeinen
Vorschriften mit Strafe bedroht ist, so
wendet der Richter die für einen
Jugendlichen geltenden Vorschriften der §§
4 bis 8, 9 Nr. 1, §§ 10, 11 und 13 bis 32
entsprechend an, wenn
1. die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters bei Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen ergibt, daß er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand, oder
2. es sich nach der Art, den Umständen oder den Beweggründen der Tat um eine
Jugendverfehlung handelt.
(2) § 31 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 ist auch dann
anzuwenden, wenn der Heranwachsende
wegen eines Teils der Straftaten bereits
rechtskräftig nach allgemeinem Strafrecht
verurteilt worden ist.
(3) Das Höchstmaß der Jugendstrafe für
Heranwachsende beträgt zehn Jahre. Handelt
es sich bei der Tat um Mord und reicht das
Höchstmaß nach Satz 1 wegen der
besonderen Schwere der Schuld nicht aus,
so ist das Höchstmaß 15 Jahre.
§ 106 Milderung des allgemeinen Strafrechts
für Heranwachsende; Sicherungsverwahrung
(1) Ist wegen der Straftat eines
Heranwachsenden das allgemeine Strafrecht
anzuwenden, so kann das Gericht an Stelle
von lebenslanger Freiheitsstrafe auf eine
Freiheitsstrafe von zehn bis zu fünfzehn
Jahren erkennen.
(2) Das Gericht kann anordnen, daß der
Verlust der Fähigkeit, öffentliche Ämter zu
bekleiden und Rechte aus öffentlichen
Wahlen zu erlangen (§ 45 Abs. 1 des
Strafgesetzbuches), nicht eintritt.
(3) Sicherungsverwahrung darf neben der
Strafe nicht angeordnet werden. Das Gericht
kann im Urteil die Anordnung der
Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn
1. der Heranwachsende zu einer
Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren
verurteilt wird wegen eines oder mehrerer Verbrechen
a) gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung oder
b) nach § 251 des Strafgesetzbuches, auch in Verbindung mit § 252 oder § 255 des Strafgesetzbuches,
durch welche das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist, und
2. auf Grund der Gesamtwürdigung des Heranwachsenden und seiner Tat oder seiner Taten mit hinreichender Sicherheit feststellbar oder zumindest wahrscheinlich ist, dass bei ihm ein Hang zu Straftaten der in Nummer 1 bezeichneten Art vorliegt und er infolgedessen zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
(4) Unter den übrigen Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 2 kann das Gericht einen solchen Vorbehalt auch aussprechen, wenn
1. die Verurteilung wegen eines oder mehrerer Vergehen nach den §§ 176a und 176b des Strafgesetzbuches erfolgt,
2. die übrigen Voraussetzungen des § 66 Absatz 3 des Strafgesetzbuches erfüllt sind, soweit dieser nicht auf § 66 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 des Strafgesetzbuches verweist,
und
3. es sich auch bei den maßgeblichen früheren und künftig zu erwartenden Taten um solche der in Nummer 1 oder Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 genannten Art handelt, durch welche das Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt oder einer solchen Gefahr ausgesetzt worden ist oder würde.
(5) Wird neben der Strafe die Anordnung
der Sicherungsverwahrung vorbehalten und
hat der Verurteilte das siebenundzwanzigste
Lebensjahr noch nicht vollendet, so ordnet
das Gericht an, dass bereits die Strafe in
einer sozialtherapeutischen Einrichtung zu
vollziehen ist, es sei denn, dass die
Resozialisierung des Täters dadurch nicht
besser gefördert werden kann. Diese
Anordnung kann auch nachträglich erfolgen.
Solange der Vollzug in einer
sozialtherapeutischen Einrichtung noch nicht
angeordnet oder der Gefangene noch nicht in
eine sozialtherapeutische Einrichtung verlegt
worden ist, ist darüber jeweils nach sechs
Monaten neu zu entscheiden. Für die
nachträgliche Anordnung nach Satz 2 ist die
Strafvollstreckungskammer zuständig. § 66c
Absatz 2 und § 67a Absatz 2 bis 4 des
Strafgesetzbuches bleiben unberührt.
(6) Das Gericht ordnet die
Sicherungsverwahrung an, wenn die
Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner
Tat oder seiner Taten und ergänzend seiner
Entwicklung bis zum Zeitpunkt der
Entscheidung ergibt, dass von ihm Straftaten
der in Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 oder
Absatz 4 bezeichneten Art zu erwarten sind;
§ 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches
gilt entsprechend.
(7) Ist die wegen einer Tat der in Absatz 3
Satz 2 Nr. 1 bezeichneten Art angeordnete
Unterbringung in einem psychiatrischen
Krankenhaus nach § 67d Abs. 6 des
Strafgesetzbuches für erledigt erklärt
worden, weil der die Schuldfähigkeit
ausschließende oder vermindernde Zustand,
auf dem die Unterbringung beruhte, im
Zeitpunkt der Erledigungsentscheidung nicht
bestanden hat, so kann das Gericht die
Unterbringung in der Sicherungsverwahrung
nachträglich anordnen, wenn
1. die Unterbringung des Betroffenen nach § 63 des Strafgesetzbuches wegen mehrerer solcher Taten angeordnet wurde oder wenn der Betroffene wegen einer oder mehrerer solcher Taten, die er vor der zur Unterbringung nach § 63 des Strafgesetzbuches führenden Tat begangen hat, schon einmal zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt oder in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden war und
2. die Gesamtwürdigung des Betroffenen, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung bis zum Zeitpunkt der Entscheidung ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut Straftaten der in Absatz 3 Satz 2 Nr. 1 bezeichneten Art
begehen wird.
Zweiter Abschnitt Gerichtsverfassung
und Verfahren
§ 107 Gerichtsverfassung
Von den Vorschriften über die
Jugendgerichtsverfassung gelten die §§ 33
bis 34 Abs. 1 und §§ 35 bis 38 für
Heranwachsende entsprechend.
§ 108 Zuständigkeit
(1) Die Vorschriften über die Zuständigkeit
der Jugendgerichte (§§ 39 bis 42) gelten
auch bei Verfehlungen Heranwachsender.
(2) Der Jugendrichter ist für Verfehlungen
Heranwachsender auch zuständig, wenn die
Anwendung des allgemeinen Strafrechts zu
erwarten ist und nach § 25 des
Gerichtsverfassungsgesetzes der
Strafrichter zu entscheiden hätte.
(3) Ist wegen der rechtswidrigen Tat eines
Heranwachsenden das allgemeine Strafrecht
anzuwenden, so gilt § 24 Abs. 2 des
Gerichtsverfassungsgesetzes. Ist im
Einzelfall eine höhere Strafe als vier Jahre
Freiheitsstrafe oder die Unterbringung des
Beschuldigten in einem psychiatrischen
Krankenhaus, allein oder neben einer Strafe,
oder in der Sicherungsverwahrung (§ 106
Absatz 3, 4, 7) zu erwarten, so ist die
Jugendkammer zuständig. Der Beschluss
einer verminderten Besetzung in der
Hauptverhandlung (§ 33b) ist nicht zulässig,
wenn die Anordnung der Unterbringung in
der Sicherungsverwahrung, deren Vorbehalt
oder die Anordnung der Unterbringung in
einem psychiatrischen Krankenhaus zu
erwarten ist.
§ 109 Verfahren
(1) Von den Vorschriften über das
Jugendstrafverfahren (§§ 43 bis 81a) sind
im Verfahren gegen einen Heranwachsenden
die §§ 43, 46a, 47a, 50 Absatz 3 und 4, die
§§ 51a, 68 Nummer 1, 4 und 5, die §§ 68a,
68b, 70 Absatz 2 und 3, die §§ 70a, 70b
Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2, die §§ 70c,
72a bis 73 und 81a entsprechend
anzuwenden. Die Bestimmungen des § 70a
sind nur insoweit anzuwenden, als sich die
Unterrichtung auf Vorschriften bezieht, die
nach dem für die Heranwachsenden
geltenden Recht nicht ausgeschlossen sind.
Die Jugendgerichtshilfe und in geeigneten
Fällen auch die Schule werden von der
Einleitung und dem Ausgang des Verfahrens
unterrichtet. Sie benachrichtigen den
Staatsanwalt, wenn ihnen bekannt wird, daß
gegen den Beschuldigten noch ein anderes
Strafverfahren anhängig ist. Die
Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden,
wenn dies im Interesse des
Heranwachsenden geboten ist.
(2) Wendet der Richter Jugendstrafrecht an
(§ 105), so gelten auch die §§ 45, 47 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1, 2 und 3, Abs. 2, 3, §§ 52, 52a,
54 Abs. 1, §§ 55 bis 66, 74 und 79 Abs. 1
entsprechend. § 66 ist auch dann
anzuwenden, wenn die einheitliche
Festsetzung von Maßnahmen oder
Jugendstrafe nach § 105 Abs. 2 unterblieben
ist. § 55 Abs. 1 und 2 ist nicht anzuwenden,
wenn die Entscheidung im beschleunigten
Verfahren des allgemeinen Verfahrensrechts
ergangen ist. § 74 ist im Rahmen einer
Entscheidung über die Auslagen des
Antragstellers nach § 472a der
Strafprozessordnung nicht anzuwenden.
(3) In einem Verfahren gegen einen
Heranwachsenden findet § 407 Abs. 2 Satz 2
der Strafprozeßordnung keine Anwendung.
Dritter Abschnitt Vollstreckung,
Vollzug und Beseitigung des
Strafmakels
§ 110 Vollstreckung und Vollzug
(1) Von den Vorschriften über die
Vollstreckung und den Vollzug bei
Jugendlichen gelten § 82 Abs. 1, §§ 83 bis
93a für Heranwachsende entsprechend,
soweit der Richter Jugendstrafrecht
angewendet (§ 105) und nach diesem
Gesetz zulässige Maßnahmen oder
Jugendstrafe verhängt hat.
(2) Für die Vollstreckung von
Untersuchungshaft an zur Tatzeit
Heranwachsenden gilt § 89c Absatz 1 und 3
entsprechend.
§ 111 Beseitigung des Strafmakels
Die Vorschriften über die Beseitigung des
Strafmakels (§§ 97 bis 101) gelten für
Heranwachsende entsprechend, soweit der
Richter Jugendstrafe verhängt hat.
Vierter Abschnitt Heranwachsende
vor Gerichten, die für allgemeine
Strafsachen zuständig sind
§ 112 Entsprechende Anwendung
Die §§ 102, 103, 104 Abs. 1 bis 3 und 5
gelten für Verfahren gegen Heranwachsende
entsprechend. Die in § 104 Abs. 1 genannten
Vorschriften sind nur insoweit anzuwenden,
als sie nach dem für die Heranwachsenden
geltenden Recht nicht ausgeschlossen sind.
Hält der Richter die Erteilung von
Weisungen für erforderlich, so überläßt er
die Auswahl und Anordnung dem
Jugendrichter, in dessen Bezirk sich der
Heranwachsende aufhält.
Vierter Teil Sondervorschriften für
Soldaten der Bundeswehr
§ 112a Anwendung des Jugendstrafrechts
Das Jugendstrafrecht (§§ 3 bis 32, 105) gilt
für die Dauer des Wehrdienstverhältnisses
eines Jugendlichen oder Heranwachsenden
mit folgenden Abweichungen:
1. Hilfe zur Erziehung im Sinne des § 12 darf nicht angeordnet werden.
2. (weggefallen)
3. Bei der Erteilung von Weisungen und
Auflagen soll der Richter die Besonderheiten des Wehrdienstes berücksichtigen. Weisungen und Auflagen, die bereits erteilt sind, soll er diesen Besonderheiten anpassen.
4. Als ehrenamtlicher Bewährungshelfer kann ein Soldat bestellt werden. Er untersteht bei seiner Tätigkeit (§ 25 Satz 2) nicht den Anweisungen des Richters.
5. Von der Überwachung durch einen Bewährungshelfer, der nicht Soldat ist, sind Angelegenheiten ausgeschlossen, für welche die militärischen Vorgesetzten des Jugendlichen oder Heranwachsenden zu sorgen haben. Maßnahmen des Disziplinarvorgesetzten haben den Vorrang.
§ 112b (weggefallen)
§ 112c Vollstreckung
(1) Der Vollstreckungsleiter sieht davon ab,
Jugendarrest, der wegen einer vor Beginn
des Wehrdienstverhältnisses begangenen
Tat verhängt ist, gegenüber Soldaten der
Bundeswehr zu vollstrecken, wenn die
Besonderheiten des Wehrdienstes es
erfordern und ihnen nicht durch einen
Aufschub der Vollstreckung Rechnung
getragen werden kann.
(2) Die Entscheidung des
Vollstreckungsleiters nach Absatz 1 ist eine
jugendrichterliche Entscheidung im Sinne
des § 83.
Fußnote
Vierter Teil (§§ 112c bis 112e): Gilt nicht
in Berlin gem. § 123 Satz 1
§ 112d Anhörung des Disziplinarvorgesetzten
Bevor der Richter oder der
Vollstreckungsleiter einem Soldaten der
Bundeswehr Weisungen oder Auflagen
erteilt, von der Vollstreckung des
Jugendarrestes nach § 112c Absatz 1
absieht oder einen Soldaten als
Bewährungshelfer bestellt, soll er den
nächsten Disziplinarvorgesetzten des
Jugendlichen oder Heranwachsenden hören.
Fußnote
Vierter Teil (§§ 112c bis 112e): Gilt nicht
in Berlin gem. § 123 Satz 1
§ 112e Verfahren vor Gerichten, die für
allgemeine Strafsachen zuständig sind
In Verfahren gegen Jugendliche oder
Heranwachsende vor den für allgemeine
Strafsachen zuständigen Gerichten (§ 104)
sind die §§ 112a und 112d anzuwenden.
Fußnote
Vierter Teil (§§ 112c bis 112e): Gilt nicht
in Berlin gem. § 123 Satz 1
Fünfter Teil Schluß- und
Übergangsvorschriften
§ 113 Bewährungshelfer
Für den Bezirk eines jeden Jugendrichters
ist mindestens ein hauptamtlicher
Bewährungshelfer anzustellen. Die
Anstellung kann für mehrere Bezirke
erfolgen oder ganz unterbleiben, wenn
wegen des geringen Anfalls von Strafsachen
unverhältnismäßig hohe Aufwendungen
entstehen würden. Das Nähere über die
Tätigkeit des Bewährungshelfers ist durch
Landesgesetz zu regeln.
§ 114 Vollzug von Freiheitsstrafe in der
Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe
In der Einrichtung für den Vollzug der
Jugendstrafe dürfen an Verurteilten, die das
vierundzwanzigste Lebensjahr noch nicht
vollendet haben und sich für den
Jugendstrafvollzug eignen, auch
Freiheitsstrafen vollzogen werden, die nach
allgemeinem Strafrecht verhängt worden
sind.
§ 115 (weggefallen)
§ 116 Zeitlicher Geltungsbereich
Das Gesetz wird auch auf Verfehlungen
angewendet, die vor seinem Inkrafttreten
begangen worden sind.
§§ 117 bis 120 (weggefallen)
§ 121 Übergangsvorschrift
(1) Für am 1. Januar 2008 bereits anhängige
Verfahren auf gerichtliche Entscheidung
über die Rechtmäßigkeit von Maßnahmen im
Vollzug der Jugendstrafe, des
Jugendarrestes und der Unterbringung in
einem psychiatrischen Krankenhaus oder
einer Entziehungsanstalt sind die
Vorschriften des Dritten Abschnitts des
Einführungsgesetzes zum
Gerichtsverfassungsgesetz in ihrer
bisherigen Fassung weiter anzuwenden.
(2) Für Verfahren, die vor dem 1. Januar
2012 bei der Jugendkammer anhängig
geworden sind, ist § 33b Absatz 2 in der bis
zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung
anzuwenden.
(3) Hat die Staatsanwaltschaft in Verfahren,
in denen über die im Urteil vorbehaltene
oder die nachträgliche Anordnung der
Sicherungsverwahrung zu entscheiden ist,
die Akten dem Vorsitzenden des zuständigen
Gerichts vor dem 1. Januar 2012 übergeben,
ist § 74f des Gerichtsverfassungsgesetzes in
der bis zum 31. Dezember 2011 geltenden
Fassung entsprechend anzuwenden.
§§ 122 bis 124 (weggefallen)
§ 125 Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am 1. Oktober 1953 in
Kraft.