Abschnitt 1
Allgemeine Vorschriften
§ 1 Verbandsklagen
(1) In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die Ansprüche und Rechtsverhältnisse einer Vielzahl von Verbrauchern
gegen einen Unternehmer betreffen, können klageberechtigte Stellen folgende Verbandsklagen gegen
Unternehmer erheben:
1. Abhilfeklagen und
2. Musterfeststellungsklagen.
(2) Kleine Unternehmen gelten als Verbraucher im Sinne dieses Gesetzes. Kleine Unternehmen sind solche, die
weniger als 10 Personen beschäftigen und deren Jahresumsatz oder Jahresbilanz 2 Millionen Euro nicht übersteigt.
§ 2 Klageberechtigte Stellen
(1) Klageberechtigte Stellen für Verbandsklagen sind
1. qualifizierte Verbraucherverbände, die
a) in der Liste nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes eingetragen sind und
b) nicht mehr als 5 Prozent ihrer finanziellen Mittel durch Zuwendungen von Unternehmen beziehen,
sowie
2. qualifizierte Einrichtungen aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die in dem Verzeichnis
der Europäischen Kommission nach Artikel 5 Absatz 1 Satz 4 der Richtlinie (EU) 2020/1828 des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2020 über Verbandsklagen zum Schutz
der Kollektivinteressen der Verbraucher und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/22/EG (ABl. L 409 vom
4.12.2020, S. 1) eingetragen sind.
(2) Bestehen ernsthafte Zweifel daran, dass die Voraussetzung nach Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b vorliegt, so
verlangt das Gericht vom Kläger die Offenlegung seiner finanziellen Mittel.
(3) Es wird unwiderleglich vermutet, dass Verbraucherzentralen und andere Verbraucherverbände, die
überwiegend mit öffentlichen Mitteln gefördert werden, die Voraussetzung des Absatzes 1 Nummer 1 Buchstabe b
erfüllen.
§ 3 Zuständigkeit; Verordnungsermächtigung
(1) Für Verbandsklagen ist dasjenige Oberlandesgericht sachlich und örtlich ausschließlich zuständig, in dessen
Bezirk sich der allgemeine Gerichtsstand des Unternehmers, gegen den sich die Verbandsklage richtet, befindet.
(2) Regelungen in Rechtsakten der Europäischen Union bleiben unberührt. Regelungen in völkerrechtlichen
Vereinbarungen, soweit sie unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht sind, gehen den Vorschriften dieses
Gesetzes vor.
(3) Die Landesregierungen können durch Rechtsverordnung einem Oberlandesgericht die Entscheidung und
Verhandlung für die Bezirke mehrerer Oberlandesgerichte oder dem Obersten Landesgericht zuweisen, sofern
1. in dem Land mehrere Oberlandesgerichte errichtet sind und
2. die Zuweisung für das Verbandsklageverfahren förderlich ist.
Die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf ihre Landesjustizverwaltung
übertragen.
§ 4 Verbraucherquorum; Finanzierung
(1) Eine Verbandsklage ist nur zulässig, wenn die klageberechtigte Stelle nachvollziehbar darlegt, dass
1. von der Abhilfeklage Ansprüche von mindestens 50 Verbrauchern betroffen sein können oder
2. von den Feststellungszielen der Musterfeststellungsklage die Ansprüche oder Rechtsverhältnisse von
mindestens 50 Verbrauchern abhängen können.
Im Fall des § 7 Absatz 1 ist die Gesamtzahl der von der gemeinschaftlichen Klage betroffenen Verbraucher
maßgeblich.
(2) Eine Verbandsklage ist unzulässig, wenn sie von einem Dritten finanziert wird,
1. der ein Wettbewerber des verklagten Unternehmers ist,
2. der vom verklagten Unternehmer abhängig ist,
3. dem ein wirtschaftlicher Anteil an der vom verklagten Unternehmer zu erbringenden Leistung von mehr
als 10 Prozent versprochen ist oder
4. von dem zu erwarten ist, dass er die Prozessführung der klageberechtigten Stelle, einschließlich
Entscheidungen über Vergleiche, zu Lasten der Verbraucher beeinflussen wird.
(3) Mit Klageeinreichung hat die klageberechtigte Stelle dem Gericht die Herkunft der Mittel, mit denen die
Klage finanziert wird, offenzulegen. Wird die Klage durch einen Dritten finanziert, sind darüber hinaus die mit
dem finanzierenden Dritten getroffenen Vereinbarungen offenzulegen. Dies gilt auch in den Fällen, in denen die
Finanzierung der Klage erst nach Klageeinreichung erfolgt.
§ 5 Klageschrift
(1) Die Klageschrift, mit der eine Verbandsklage erhoben wird, muss Folgendes enthalten:
1. die Angabe und den Nachweis, dass der Kläger eine klageberechtigte Stelle ist,
2. die nachvollziehbare Darlegung, dass
a) von der Abhilfeklage Ansprüche von mindestens 50 Verbrauchern betroffen sein können oder
b) von den Feststellungszielen der Musterfeststellungsklage die Ansprüche oder Rechtsverhältnisse
von mindestens 50 Verbrauchern abhängen können,
3. die Angabe des Werts des Streitgegenstands und
4. die Angabe, ob ein Dritter die Verbandsklage finanziert, sowie gegebenenfalls den Namen des Dritten.
(2) Die Klageschrift soll für den Zweck der Bekanntmachung im Verbandsklageregister eine kurze Darstellung des
Lebenssachverhalts enthalten, aus dem die geltend gemachten Ansprüche von Verbrauchern hergeleitet werden.
(3) Im Übrigen ist § 253 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden.
§ 6 Offenlegung von Beweismitteln; Androhung und Festsetzung von Ordnungsgeld
(1) Ordnet das Gericht die Vorlage einer Urkunde oder sonstiger Unterlagen (§ 142 der Zivilprozessordnung),
die Vorlage von Akten (§ 143 der Zivilprozessordnung) oder die Vorlage eines Gegenstandes (§ 144 der
Zivilprozessordnung) an, so kann es der vorlagepflichtigen Partei für den Fall, dass diese der Anordnung nicht
nachkommt, die Festsetzung eines Ordnungsgelds in Höhe von bis zu 250 000 Euro androhen.
(2) Kommt die vorlagepflichtige Partei der gerichtlichen Anordnung trotz Androhung eines Ordnungsgelds
nicht nach, so ist das angedrohte Ordnungsgeld durch Beschluss festzusetzen. Das Ordnungsgeld kann erneut
festgesetzt werden, wenn die vorlagepflichtige Partei der gerichtlichen Anordnung wiederholt nicht nachkommt.
§ 7 Streitgenossenschaft
(1) Mehrere klageberechtigte Stellen können gemeinschaftlich gegen einen Unternehmer klagen. Mehrere
Unternehmer können gemeinschaftlich verklagt werden.
(2) Die §§ 59 bis 63 der Zivilprozessordnung sind entsprechend anzuwenden.
§ 8 Sperrwirkung der Verbandsklage
Ab Anhängigkeit einer Verbandsklage kann gegen denselben Unternehmer keine weitere Verbandsklage
erhoben werden, deren Streitgegenstand denselben Lebenssachverhalt und dieselben Ansprüche oder dieselben
Feststellungsziele betrifft. Diese Sperrwirkung entfällt, sobald die Verbandsklage ohne Entscheidung in der Sache
beendet wird.
§ 9 Gerichtlicher Vergleich
(1) Zur gütlichen Beilegung des Rechtsstreits können die Parteien einen gerichtlichen Vergleich auch mit Wirkung
für die im Verbandsklageregister angemeldeten Verbraucher schließen. Der gerichtliche Vergleich kann nicht vor
Ablauf des in § 46 Absatz 1 Satz 1 genannten Zeitpunkts geschlossen werden.
(2) Der Vergleich bedarf der Genehmigung des Gerichts. Das Gericht genehmigt den Vergleich durch Beschluss,
wenn es ihn unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstands, insbesondere der Interessen der betroffenen
Verbraucher, als angemessene gütliche Beilegung des Rechtsstreits erachtet. Andernfalls lehnt das Gericht die
Genehmigung des Vergleichs durch Beschluss ab.
Fußnote
(+++ § 9: Zur Anwendung vgl. § 17 +++)
§ 10 Austritt aus dem Vergleich
(1) Jeder im Verbandsklageregister angemeldete Verbraucher kann innerhalb einer Frist von einem Monat
gegenüber dem Bundesamt für Justiz den Austritt aus dem Vergleich erklären. Die Frist beginnt mit der
Bekanntgabe des Vergleichs im Verbandsklageregister.
(2) Verbraucher, die ihren Austritt wirksam erklärt haben, werden durch den Vergleich nicht gebunden. Der
Austritt berührt nicht die Wirksamkeit der Anmeldung im Verbandsklageregister.
Fußnote
(+++ § 10: Zur Anwendung vgl. § 17 +++)
§ 11 Sperrwirkung der Anmeldung; Bindungswirkung
(1) Hat ein Verbraucher vor der Bekanntgabe der Verbandsklage im Verbandsklageregister eine Klage gegen
den Unternehmer erhoben, die die Ansprüche oder Rechtsverhältnisse oder Feststellungsziele und den
Lebenssachverhalt der Verbandsklage betrifft, und meldet er seinen Anspruch oder sein Rechtsverhältnis zum
Verbandsklageregister an, so setzt das Gericht das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die
Verbandsklage oder bis zur sonstigen Erledigung der Verbandsklage oder bis zur wirksamen Rücknahme der
Anmeldung zum Verbandsklageregister aus.
(2) Während der Rechtshängigkeit der Verbandsklage kann ein angemeldeter Verbraucher gegen den
Unternehmer keine Klage erheben, deren Streitgegenstand denselben Lebenssachverhalt und dieselben
Ansprüche oder dieselben Feststellungsziele betrifft.
(3) Rechtskräftige Urteile über Verbandsklagen binden ein zur Entscheidung eines Rechtsstreits zwischen einem
angemeldeten Verbraucher und dem verklagten Unternehmer berufenes Gericht, soweit dessen Entscheidung den
Lebenssachverhalt der Verbandsklage und einen mit der Abhilfeklage geltend gemachten Anspruch oder ein mit
der Musterfeststellungsklage geltend gemachtes Feststellungsziel betrifft. Satz 1 gilt nicht für Abhilfeendurteile
nach § 18.
§ 12 Informationspflichten
(1) Die klageberechtigte Stelle ist verpflichtet, auf ihrer Internetseite zu informieren über:
1. Verbandsklagen, die sie erheben will,
2. Verbandsklagen, die sie bereits erhoben hat, und
3. den Verfahrensstand der Verbandsklagen.
Auf der Internetseite ist ferner darüber zu informieren, dass Verbraucher nur dann von den Wirkungen einer
Verbandsklage erfasst werden, wenn sie Ansprüche oder Rechtsverhältnisse, die Gegenstand der Verbandsklage
sind, zur Eintragung in das Verbandsklageregister anmelden.
(2) Wird ein Verfahren über eine Verbandsklage durch unanfechtbaren Beschluss, unanfechtbares Urteil
oder durch einen Vergleich nach § 9 beendet, so ist der Beschluss, das Urteil oder der Vergleich in
veröffentlichungsfähiger anonymisierter Form ab dem Zeitpunkt der Beendigung des Verfahrens mindestens
sechs Monate auf der Internetseite der klageberechtigten Stelle zu veröffentlichen.
(3) Die Kosten der Veröffentlichungen auf der Internetseite nach den Absätzen 1 und 2 sind Kosten des
Rechtsstreits.
§ 13 Anwendung der Zivilprozessordnung
(1) Auf Verbandsklageverfahren sind die Vorschriften der Zivilprozessordnung anzuwenden, soweit sich aus
diesem Gesetz nicht etwas anderes ergibt. Auf das Verfahren vor den Oberlandesgerichten sind dabei die im
ersten Rechtszug für das Verfahren vor den Landgerichten geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden.
(2) Die §§ 66 bis 74 der Zivilprozessordnung sind nicht anzuwenden im Verhältnis zwischen den Parteien der
Verbandsklage und denjenigen Verbrauchern, die
1. einen Anspruch oder ein Rechtsverhältnis zum Verbandsklageregister angemeldet haben oder
2. behaupten, entweder einen Anspruch gegen den verklagten Unternehmer zu haben oder von ihm in
Anspruch genommen zu werden oder zu ihm in einem Rechtsverhältnis zu stehen.
(3) § 128 Absatz 2 sowie die §§ 306 und 307 Satz 2 der Zivilprozessordnung sind nicht anzuwenden.
(4) Ein Urteil oder Abhilfegrundurteil ergeht nicht vor Ablauf von sechs Wochen nach dem Schluss der mündlichen
Verhandlung.
Abschnitt 2
Abhilfeklagen
Unterabschnitt 1
Besondere Voraussetzungen
§ 14 Abhilfeklage
Mit der Abhilfeklage begehrt die klageberechtigte Stelle die Verurteilung des Unternehmers zu einer Leistung
an die betroffenen Verbraucher. Als Leistung kann auch die Zahlung eines kollektiven Gesamtbetrags begehrt
werden.
§ 15 Gleichartigkeit der Verbraucheransprüche; Klageschrift
(1) Die Abhilfeklage ist nur zulässig, wenn die von der Klage betroffenen Ansprüche von Verbrauchern im
Wesentlichen gleichartig sind. Das ist der Fall, wenn
1. die Ansprüche auf demselben Sachverhalt oder auf einer Reihe im Wesentlichen vergleichbarer
Sachverhalte beruhen und
2. für die Ansprüche die im Wesentlichen gleichen Tatsachen- und Rechtsfragen entscheidungserheblich
sind.
(2) Die Klageschrift muss Angaben zur Gleichartigkeit der betroffenen Ansprüche von Verbrauchern enthalten.
Beantragt die klageberechtigte Stelle die Verurteilung des Unternehmers zur Zahlung eines kollektiven
Gesamtbetrags, so muss die Klageschrift auch die Höhe des einzelnen Verbraucheranspruchs angeben, wenn
alle Ansprüche der betroffenen Verbraucher der Höhe nach gleich sind. Andernfalls soll die Methode angegeben
werden, nach der sich die Höhe der jeweiligen einzelnen Ansprüche der betroffenen Verbraucher berechnen lässt
Unterabschnitt 2
Abhilfeentscheidung
§ 16 Urteil und Abhilfegrundurteil
(1) Hält das Gericht eine Abhilfeklage, die auf Zahlung eines kollektiven Gesamtbetrags oder auf die Verurteilung
zu einer anderen Leistung als zur Zahlung gerichtet ist, dem Grunde nach für begründet, so erlässt es ein
Abhilfegrundurteil. Wird die Leistung an namentlich benannte Verbraucher begehrt, entscheidet das Gericht
im Fall einer Verurteilung zur Zahlung durch Urteil. Hält das Gericht die Abhilfeklage für unzulässig oder
unbegründet, weist es die Klage durch Urteil ab.
(2) Die Urteilsformel eines Abhilfegrundurteils enthält folgende Angaben:
1. die konkreten Voraussetzungen, nach denen sich die Anspruchsberechtigung der betroffenen Verbraucher
bestimmt, und
2. die von jedem einzelnen Verbraucher im Umsetzungsverfahren zu erbringenden Berechtigungsnachweise.
Wird mit der Abhilfeklage ein kollektiver Gesamtbetrag geltend gemacht, so enthält die Urteilsformel ferner den
Betrag, der jedem berechtigten Verbraucher zusteht, oder, wenn die den berechtigten Verbrauchern zustehenden
Beträge unterschiedlich hoch sind, die Methode, nach der die den berechtigten Verbrauchern jeweils zustehenden
Einzelbeträge zu berechnen sind. Wird mit der Abhilfeklage die Verurteilung zu einer anderen Leistung als zur
Zahlung begehrt, so ist die Verurteilung in der Urteilsformel auszusprechen.
(3) Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 bleibt die Kostenentscheidung dem Abhilfeendurteil vorbehalten.
(4) Im Fall des Absatzes 1 Satz 1 entscheidet das Gericht durch Urteil, wenn
1. beide Parteien dies beantragen und
2. Bemühungen um einen Vergleich nach § 17 Absatz 1 aussichtslos erscheinen.
In diesem Fall enthält die Urteilsformel die Angaben nach Absatz 2 und § 18 Absatz 1; § 18 Absatz 2 und 3 ist
entsprechend anzuwenden.
(5) Gegen Urteile nach den Absätzen 1 und 4 findet die Revision statt. Diese bedarf keiner Zulassung.
§ 17 Vergleichsvorschlag; Fortsetzung des Abhilfeverfahrens
(1) Nach der Verkündung des Abhilfegrundurteils soll das Gericht die Parteien auffordern, einen schriftlichen
Vergleichsvorschlag zur Umsetzung des Abhilfegrundurteils zu unterbreiten. Das Gericht kann den Parteien
eine Frist zur Unterbreitung des Vergleichsvorschlags setzen. Auf Antrag einer Partei und mit Zustimmung der
Gegenpartei kann das Gericht diese Frist verlängern. Die §§ 9 und 10 sind entsprechend anzuwenden.
(2) Wird das Abhilfeverfahren nicht durch wirksamen Vergleich beendet und ist das Abhilfegrundurteil
rechtskräftig, so setzt das Gericht das Abhilfeverfahren fort. Es entscheidet durch Abhilfeendurteil.
§ 18 Abhilfeendurteil
(1) Die Urteilsformel des Abhilfeendurteils enthält folgende Angaben:
1. die Anordnung des Umsetzungsverfahrens,
2. die vorläufige Festsetzung der Kosten des Umsetzungsverfahrens,
3. die Verurteilung des Unternehmers zur Zahlung der nach Nummer 2 vorläufig festgesetzten Kosten des
Umsetzungsverfahrens zu Händen des Sachwalters sowie
4. die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens.
(2) Wird mit der Abhilfeklage ein kollektiver Gesamtbetrag geltend gemacht, enthält die Urteilsformel außerdem
die Verurteilung des Unternehmers zur Zahlung eines solchen Betrags zu Händen des Sachwalters.
(3) Das Gericht kann bei Vorliegen besonderer Umstände, insbesondere einer Vielzahl betroffener
Verbraucheransprüche, im Abhilfeendurteil die Widerspruchsfrist nach § 28 Absatz 2 Satz 1 angemessen
verlängern.
(4) Gegen Abhilfeendurteile findet die Revision statt. Diese bedarf keiner Zulassung.
§ 19 Kollektiver Gesamtbetrag
(1) Das Gericht kann die Höhe des kollektiven Gesamtbetrags unter Würdigung aller Umstände nach freier
Überzeugung bestimmen.
(2) § 287 der Zivilprozessordnung ist entsprechend anzuwenden
Fußnote
(+++ § 19: Zur Geltung vgl. § 21 Abs. 2 +++)
§ 20 Kosten des Umsetzungsverfahrens
(1) Kosten des Umsetzungsverfahrens im Sinne dieses Gesetzes sind:
1. die Auslagen des Sachwalters, insbesondere Verbindlichkeiten, die er zur ordnungsgemäßen Erfüllung
seiner Aufgaben begründet, und
2. die Vergütung des Sachwalters.
(2) Die Kosten des Umsetzungsverfahrens trägt der Unternehmer.
§ 21 Erhöhung des kollektiven Gesamtbetrags
(1) Die klageberechtigte Stelle kann während des Umsetzungsverfahrens die Erhöhung des kollektiven
Gesamtbetrags beantragen. Die Klage ist nur zulässig, wenn die klageberechtigte Stelle Tatsachen vorträgt, aus
denen sich ergibt, dass der kollektive Gesamtbetrag nicht zur Erfüllung der berechtigten Zahlungsansprüche aller
angemeldeten Verbraucher ausreicht.
(2) Reicht der kollektive Gesamtbetrag nicht zur Erfüllung der berechtigten Zahlungsansprüche aller
angemeldeten Verbraucher aus, so ist der Unternehmer zur Zahlung eines weiteren kollektiven Gesamtbetrags
zu verurteilen, der der Erhöhung entspricht. § 19 gilt entsprechend. Das Umsetzungsverfahren ruht während des
Erhöhungsverfahrens.
Unterabschnitt 3
Umsetzungsverfahren
§ 22 Zuständigkeit; Entscheidungen im Umsetzungsverfahren
(1) Für das Umsetzungsverfahren ist ausschließlich das Prozessgericht der Abhilfeklage zuständig.
(2) Die Entscheidungen des Gerichts im Umsetzungsverfahren können ohne mündliche Verhandlung ergehen.
§ 23 Bestellung des Sachwalters
(1) Das Gericht bestellt einen Sachwalter. Vor der Bestellung sollen die Parteien des Abhilfeverfahrens zur Person
des Sachwalters gehört werden.
(2) Zum Sachwalter ist eine geeignete und von den Parteien unabhängige Person zu bestellen. Die
Unabhängigkeit wird nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass die Person von einer Partei vorgeschlagen
worden ist. Das Gericht kann von der als Sachwalter vorgesehenen Person den Nachweis einer
Berufshaftpflichtversicherung verlangen, deren Deckungssumme dem Umfang des Umsetzungsverfahrens
angemessen ist.
(3) Der Sachwalter erhält vom Gericht eine Urkunde über seine Bestellung. Bei Beendigung seines Amtes hat der
Sachwalter dem Gericht die Urkunde zurückzugeben.
(4) Ein Sachwalter kann von den Parteien aus denselben Gründen, die nach § 42 der Zivilprozessordnung zur
Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Der Ablehnungsgrund ist glaubhaft zu machen;
zur Versicherung an Eides statt darf die Partei nicht zugelassen werden. Ein Sachwalter kann auch wegen
Ungeeignetheit abgelehnt werden.
(5) Ein Ablehnungsantrag ist binnen zwei Wochen nach der Verkündung oder der Zustellung des Beschlusses über
die Bestellung zu stellen. Zu einem späteren Zeitpunkt ist der Antrag auf Ablehnung nur zulässig, wenn die Partei
glaubhaft macht, dass sie ohne ihr Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen.
(6) Gegen den Beschluss, durch den die Ablehnung für begründet erklärt wird, findet kein Rechtsmittel statt.
§ 24 Eröffnungsbeschluss
Das Gericht beschließt die Eröffnung des Umsetzungsverfahrens, sobald der Unternehmer die folgenden Beträge
zu Händen des Sachwalters gezahlt hat:
1. den vorläufig festgesetzten Kostenbetrag (§ 18 Absatz 1 Nummer 2),
2. den kollektiven Gesamtbetrag (§ 18 Absatz 2), sofern der Unternehmer zur Zahlung eines solchen
verurteilt ist.
§ 25 Umsetzungsfonds
(1) Der Sachwalter errichtet einen Umsetzungsfonds. In diesen sind der vorläufig festgesetzte Kostenbetrag und
gegebenenfalls der kollektive Gesamtbetrag sowie gegebenenfalls dessen Erhöhung einzuzahlen.
(2) Der Umsetzungsfonds ist vom Vermögen des Sachwalters getrennt zu führen. Der Sachwalter verwaltet den
Umsetzungsfonds und verfügt über ihn.
(3) Berechtigte Ansprüche von Verbrauchern auf Zahlung erfüllt der Sachwalter unmittelbar durch Zahlung aus
dem Umsetzungsfonds. Beträge zur Begleichung von Kosten des Umsetzungsverfahrens und Vorschüsse darf der
Sachwalter dem Umsetzungsfonds nur nach Anordnung des Gerichts entnehmen. Diese Entnahmen dürfen in ihrer
Gesamtsumme den vorläufig festgesetzten Kostenbetrag nicht übersteigen.
(4) Die Gelder des Umsetzungsfonds unterliegen nicht der Pfändung.
§ 26 Teilnahme am Umsetzungsverfahren
An dem Umsetzungsverfahren nehmen alle Verbraucher teil, die ihre Ansprüche wirksam zum
Verbandsklageregister angemeldet haben und die ihre Anmeldung nicht wirksam zurückgenommen haben.
§ 27 Aufgaben des Sachwalters
Der Sachwalter hat folgende Aufgaben und Befugnisse:
1. er weist dem Gericht den Erhalt folgender Beträge nach:
a) den Erhalt des vorläufig festgesetzten Kostenbetrags und
b) für den Fall der Verurteilung zur Zahlung eines kollektiven Gesamtbetrags den Erhalt des
kollektiven Gesamtbetrags sowie gegebenenfalls dessen Erhöhung,
2. er kann vom Bundesamt für Justiz einen Auszug aus dem Verbandsklageregister verlangen, der die
am Umsetzungsverfahren teilnehmenden Verbraucher sowie sämtliche Angaben ausweist, die im
Verbandsklageregister zu den geltend gemachten Ansprüchen vermerkt sind,
3. er prüft die Anspruchsberechtigung der am Umsetzungsverfahren teilnehmenden Verbraucher nach
Maßgabe des Abhilfegrundurteils,
4. er setzt den am Umsetzungsverfahren teilnehmenden Verbrauchern, sofern er dies für erforderlich hält,
eine Frist zur Vorlage der Berechtigungsnachweise,
5. er kann im Einzelfall ergänzende Erklärungen der Verbraucher oder des Unternehmers verlangen und zu
diesem Zwecke Fristen setzen,
6. er kann nicht fristgerecht eingegangene Berechtigungsnachweise und Erklärungen zurückweisen, wenn er
den betroffenen Verbraucher zuvor auf diese Rechtsfolge hingewiesen hat,
7. er stellt die Gesamthöhe der berechtigten Ansprüche aller Verbraucher auf Zahlung in einem
Auszahlungsplan zusammen,
8. er informiert die Parteien, sofern der kollektive Gesamtbetrag nicht zur Erfüllung der berechtigten
Zahlungsansprüche aller angemeldeten Verbraucher ausreicht,
9. er erfüllt berechtigte Ansprüche von Verbrauchern auf Zahlung und sorgt für den Fall, dass nach dem
Auszahlungsplan der kollektive Gesamtbetrag nicht zur Erfüllung der berechtigten Ansprüche aller
Verbraucher ausreicht, für eine gleichmäßige Verteilung,
10. er fordert für den Fall der Verurteilung zu einer anderen Leistung als zur Zahlung den Unternehmer zur
Erfüllung berechtigter Verbraucheransprüche auf, setzt ihm zu diesem Zweck angemessene Fristen und
verlangt die Anzeige der Erfüllung sowie die Vorlage von Nachweisen und
11. er kann die Erfüllung geltend gemachter Ansprüche von Verbrauchern ganz oder teilweise ablehnen.
§ 28 Widerspruchsverfahren
(1) Der Sachwalter teilt dem betroffenen Verbraucher und dem Unternehmer in Textform mit, ob sich ein
Anspruch nach Prüfung ganz oder teilweise als berechtigt erweist.
(2) Der betroffene Verbraucher und der Unternehmer können vorbehaltlich einer Entscheidung nach § 18 Absatz 3
binnen vier Wochen nach Zugang der Mitteilung de
(3) Der Sachwalter übermittelt dem betroffenen Verbraucher und dem Unternehmer seine Entscheidung über den
Widerspruch in Textform.
(4) Der betroffene Verbraucher und der Unternehmer können bei dem Prozessgericht des Abhilfeverfahrens
binnen zwei Wochen nach Zugang der Widerspruchsentscheidung des Sachwalters eine gerichtliche Entscheidung
über den Widerspruch beantragen, soweit sie durch die Widerspruchsentscheidung des Sachwalters beschwert
sind. Das Gericht entscheidet durch Beschluss. Es kann die Entscheidung auf einen Einzelrichter übertragen.
Die Entscheidung kann im schriftlichen Verfahren nach Anhörung des betroffenen Verbrauchers und des
Unternehmers ergehen. § 78 Absatz 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Entscheidung des
Gerichts ist unanfechtbar.
§ 29 Zwangsmittel gegen den Unternehmer
(1) Kommt der Unternehmer einer Aufforderung des Sachwalters zur Erfüllung eines Anspruchs eines
Verbrauchers, der auf eine andere vertretbare Handlung als Zahlung oder auf eine nicht vertretbare Handlung
gerichtet ist, nicht fristgerecht nach, so kann das Gericht auf Antrag des Sachwalters anordnen, dass der
Unternehmer durch Zwangsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft
zur Vornahme der anderen vertretbaren Handlung oder der nicht vertretbaren Handlung anzuhalten sei. Für die
Zwecke der Vollstreckung der Zwangsmittel tritt der Sachwalter an die Stelle des Gläubigers.
(2) Auf andere vertretbare Handlungen als Zahlung ist § 888 der Zivilprozessordnung mit Ausnahme
seines Absatzes 1 Satz 1 entsprechend anzuwenden; § 887 Absatz 1 und 2 der Zivilprozessordnung ist
auf solche Handlungen nicht anzuwenden. Auf nicht vertretbare Handlungen ist § 888 Absatz 1 Satz 1 der
Zivilprozessordnung nicht anzuwenden.
§ 30 Gerichtliche Aufsicht; Zwangsmittel gegen den Sachwalter
(1) Der Sachwalter untersteht der Aufsicht des Gerichts.
(2) Das Gericht kann dem Sachwalter zur Durchführung des Umsetzungsverfahrens Fristen setzen. Es kann vom
Sachwalter jederzeit Zwischenberichte über den Stand des Umsetzungsverfahrens anfordern, insbesondere
Auskunft darüber verlangen,
1. auf welche Art und Weise der Sachwalter die von Verbrauchern zu erbringenden Berechtigungsnachweise
prüft und
2. welche von Verbrauchern geltend gemachten Ansprüche der Sachwalter in welcher Höhe bereits erfüllt
hat.
Das Gericht kann dem Sachwalter Fristen zur Übermittlung von Zwischenberichten setzen.
(3) Erfüllt der Sachwalter die ihm nach diesem Gesetz obliegenden Pflichten nicht, so kann das Gericht nach
vorheriger Androhung ein Zwangsgeld gegen ihn festsetzen. Das einzelne Zwangsgeld darf den Betrag von
25 000 Euro nicht übersteigen. Nach vorheriger Androhung kann das Gericht den Sachwalter aus wichtigem
Grund entlassen.
§ 31 Haftung des Sachwalters
Verletzt der Sachwalter schuldhaft ihm nach diesem Gesetz obliegende Pflichten, so ist er zum Schadensersatz
verpflichtet, und zwar
1. dem Unternehmer, wenn die verletzte Pflicht den Schutz des Unternehmers bezweckt, und
2. dem Verbraucher, wenn die verletzte Pflicht den Schutz des Verbrauchers bezweckt.
Der Sachwalter hat für die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Sachwalters einzustehen.
§ 32 Ansprüche des Sachwalters
(1) Der Sachwalter hat Anspruch auf
1. die Erstattung der Auslagen, die er zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben begründet,
2. eine angemessene Vergütung für seine Geschäftsführung und
3. einen Vorschuss auf seine Auslagen und seine Vergütung, soweit dies zur Erfüllung seiner Aufgaben
notwendig ist.
(2) Auf Antrag des Sachwalters setzt das Gericht die Höhe der Auslagen, der Vergütung und des Vorschusses fest.
§ 33 Schlussrechnung
Der Sachwalter hat dem Gericht bei Beendigung seines Amtes Schlussrechnung zu legen. Die Rechnung
einschließlich der Belege muss spätestens einen Monat nach Beendigung des Umsetzungsverfahrens
1. elektronisch oder auf der Geschäftsstelle des Gerichts eingereicht werden und
2. zur Einsicht des Unternehmers zur Verfügung stehen.
Das Gericht benachrichtigt den Unternehmer unverzüglich vom Eingang der Schlussrechnung. Der Unternehmer
ist berechtigt, Einwendungen gegen die Schlussrechnung zu erheben. Soweit binnen zwei Wochen nach der
Benachrichtigung keine Einwendungen erhoben werden, gilt die Rechnung als anerkannt.
§ 34 Schlussbericht
(1) Der Sachwalter teilt dem Gericht die Beendigung des Umsetzungsverfahrens unverzüglich mit. Das Gericht
setzt dem Sachwalter eine angemessene Frist zur Vorlage des Schlussberichts. Die Sätze 1 und 2 gelten auch für
den Fall der vorzeitigen Beendigung des Amtes des Sachwalters und der Einstellung des Umsetzungsverfahrens.
(2) Der Schlussbericht enthält folgende Angaben:
1. eine Auflistung der im Umsetzungsverfahren von Verbrauchern geltend gemachten Ansprüche, die
a) vom Sachwalter ganz oder teilweise durch Zahlung erfüllt wurden unter Angabe des jeweiligen
Namens des Verbrauchers, des jeweiligen Zahlungszeitpunkts und des jeweiligen Zahlungsbetrags
oder
b) vom Unternehmer anders als durch Zahlung erfüllt wurden unter Angabe des jeweiligen Namens
des Verbrauchers und des Zeitpunkts der Erbringung der jeweiligen Leistung,
2. eine Auflistung der vollständig oder teilweise abgelehnten Ansprüche von Verbrauchern unter Angabe
a) des jeweiligen Namens des Verbrauchers,
b) der jeweiligen Art oder der jeweiligen Höhe des geltend gemachten Anspruchs sowie
c) des Umfangs der jeweiligen Ablehnung,
3. eine zusammenfassende Gegenüberstellung der aus dem Umsetzungsfonds geleisteten Zahlungen und
des kollektiven Gesamtbetrags.
(3) Die Parteien erhalten vom Gericht eine formlose Abschrift des Schlussberichts.
§ 35 Prüfung des Schlussberichts und der Schlussrechnung
(1) Das Gericht prüft den Schlussbericht und die Schlussrechnung des Sachwalters.
(2) Beanstandet das Gericht den Schlussbericht oder die Schlussrechnung, so fordert es den Sachwalter unter
Fristsetzung dazu auf, der Beanstandung abzuhelfen.
§ 36 Feststellung der Beendigung des Umsetzungsverfahrens
(1) Das Gericht stellt die Beendigung des Umsetzungsverfahrens fest. Der Beschluss enthält:
1. die endgültige Festsetzung der Kosten des Umsetzungsverfahrens,
2. die Festsetzung eines vom Unternehmer noch an den Sachwalter zu zahlenden Kostenbetrags, wenn die
Kosten des Umsetzungsverfahrens den vorläufig festgesetzten Kostenbetrag übersteigen, sowie
3. die Angabe, ob und in welcher Höhe ein Restbetrag verbleibt.
Der Beschluss steht hinsichtlich seiner Vollstreckbarkeit einem Kostenfestsetzungsbeschluss gleich.
(2) Der Beschluss ist den Parteien und dem Sachwalter zuzustellen.
§ 37 Nicht abgerufene Beträge
Ist der kollektive Gesamtbetrag nach Beendigung des Umsetzungsverfahrens nicht vollständig ausgekehrt oder
übersteigt der vorläufig festgesetzte Kostenbetrag die endgültig festgesetzten Kosten des Umsetzungsverfahrens,
so ist der Sachwalter dem Unternehmer zur Erstattung des verbleibenden Betrags verpflichtet. Dieser
Rückzahlungsanspruch ist mit der Bekanntmachung des Beschlusses über die Feststellung der Beendigung des
Umsetzungsverfahrens im Verbandsklageregister fällig.
§ 38 Insolvenzverfahren über das Vermögen des Unternehmers; Restrukturierung
(1) Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unternehmers hindert die Durchführung
des Umsetzungsverfahrens nicht. Auf Antrag des Sachwalters wird das Umsetzungsverfahren zwecks Klärung
möglicher Insolvenzanfechtungsansprüche auf Rückzahlung der nach § 24 gezahlten Beträge ausgesetzt oder,
sofern nach Einschätzung des Sachwalters ein Anfechtungsanspruch besteht und dieser nicht offensichtlich
unbegründet ist, eingestellt. Das Umsetzungsverfahren ist auch einzustellen, wenn zum Zeitpunkt der
Verfahrenseröffnung lediglich ein Teil der nach § 24 zu leistenden Zahlungen erbracht ist.
(2) Wird das Umsetzungsverfahren eingestellt, sind alle nach § 24 erfolgten Zahlungen an die Insolvenzmasse
zurückzugewähren. Die zurückzugewährenden Zahlungen gelten als auf den vorläufig festgesetzten Kostenbetrag
(§ 18 Absatz 1 Nummer 3) und den kollektiven Gesamtbetrag (§ 18 Absatz 2) in dem Verhältnis geleistet, in dem
beide Beträge zueinander stehen.
(3) Der auf den kollektiven Gesamtbetrag entfallende Teil der nach Absatz 2 an die Masse zurückgewährten
Zahlungen bildet eine Sondermasse zur Befriedigung derjenigen Verbraucher, die im Rahmen des
Umsetzungsverfahrens einen berechtigten Zahlungsanspruch gehabt hätten; dies gilt nicht für Zahlungen, die
der Insolvenzanfechtung unterliegen. Zur Verwaltung und Verteilung der Sondermasse ist der Sachwalter zum
Sonderinsolvenzverwalter zu bestellen.
(4) § 11 Absatz 3 gilt auch im Verhältnis zu allen Insolvenzgläubigern.
(5) Werden die in einem Abhilfegrundurteil ausgeurteilten Ansprüche in einen Restrukturierungsplan nach
dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz einbezogen, so ist für die betroffenen
Anspruchsinhaber im Restrukturierungsplan eine eigenständige Gruppe zu bilden. Die Abwicklung der durch den
Plan gestalteten Verbraucherforderungen ist dem Restrukturierungsbeauftragten zu übertragen.
Unterabschnitt 4
Individualklagen
§ 39 Offene Verbraucheransprüche
Hat der Sachwalter die Erfüllung eines vom Verbraucher geltend gemachten Anspruchs im Umsetzungsverfahren
vollständig oder teilweise abgelehnt oder hat der Sachwalter einen Anspruch eines Verbrauchers bis zur
Beendigung des Umsetzungsverfahrens nicht oder nur teilweise erfüllt, so kann der Verbraucher diesen Anspruch
im Wege der Individualklage geltend machen, soweit er ihn nicht bereits im Widerspruchsverfahren nach § 28
hätte geltend machen können.
§ 40 Herausgabeanspruch des Unternehmers
(1) Der Unternehmer kann Einwendungen, die den vom Verbraucher im Verbandsklageverfahren geltend
gemachten Anspruch selbst betreffen, im Wege der Klage geltend machen, soweit er die Gründe, auf denen sie
beruhen, vor dem Prozessgericht des Abhilfeverfahrens oder im Widerspruchsverfahren nach § 28 nicht hätte
geltend machen können.
(2) Der Herausgabeanspruch des Unternehmers gegen den Verbraucher bestimmt sich nach den Vorschriften
des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe der ungerechtfertigten Bereicherung. § 818 Absatz 3 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs ist nicht anzuwenden. Der Anspruch erlischt, wenn er nicht binnen neun Monaten nach
Leistung an den Verbraucher diesem gegenüber schriftlich geltend gemacht wird.
Abschnitt 3
Musterfeststellungsklagen
§ 41 Musterfeststellungsklage
(1) Mit der Musterfeststellungsklage begehrt die klageberechtigte Stelle die Feststellung des Vorliegens oder
Nichtvorliegens von tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für das Bestehen oder Nichtbestehen von
Ansprüchen oder Rechtsverhältnissen (Feststellungsziele) zwischen Verbrauchern und einem Unternehmer.
(2) Der Zulässigkeit einer Musterfeststellungsklage steht nicht entgegen, dass die klageberechtigte Stelle
Abhilfeklage erheben könnte.
§ 42 Revision
Gegen Musterfeststellungsurteile findet die Revision statt. Diese bedarf keiner Zulassung.
Abschnitt 4
Verbandsklageregister
§ 43 Verbandsklageregister
(1) Das Bundesamt für Justiz führt ein Register für Verbandsklagen (Verbandsklageregister). Das
Verbandsklageregister kann elektronisch betrieben werden.
(2) Öffentliche Bekanntmachungen und Eintragungen sind unverzüglich vorzunehmen. Die öffentliche
Bekanntmachung von Terminen muss spätestens zwei Wochen vor dem jeweiligen Terminstag erfolgen.
(3) Die im Verbandsklageregister erfassten öffentlichen Bekanntmachungen und Eintragungen sind bis zum
Schluss des zehnten Jahres nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des jeweiligen
Verbandsklageverfahrens aufzubewahren und sodann zu löschen.
§ 44 Bekanntmachung von Angaben zu Verbandsklagen
Die folgenden Angaben zu einer rechtshängigen Verbandsklage sind im Verbandsklageregister öffentlich bekannt
zu machen:
1. Bezeichnung der Parteien,
2. Bezeichnung des Gerichts und des Aktenzeichens,
3. Art der Verbandsklage,
4. Zeitpunkt der Anhängigkeit und der Rechtshängigkeit,
5. Abhilfeantrag des Klägers, einschließlich der Merkmale, nach denen sich die Gleichartigkeit der von
Verbrauchern geltend gemachten Ansprüche bestimmt, oder die Feststellungsziele,
6. kurze Darstellung des vom Kläger vorgetragenen Lebenssachverhalts,
7. Zeitpunkt der Bekanntmachung im Verbandsklageregister,
8. Befugnis der Verbraucher, Ansprüche oder Rechtsverhältnisse, die mit der Abhilfe- oder
Musterfeststellungsklage geltend gemacht werden, zur Eintragung in das Verbandsklageregister
anzumelden, Form, Frist und Wirkung der Anmeldung sowie ihrer Rücknahme,
9. Terminsbestimmungen, Hinweise und Zwischenentscheidungen des Gerichts,
10. gerichtlich genehmigte Vergleiche, Befugnis der angemeldeten Verbraucher zum Austritt aus dem
Vergleich, Form, Frist und Wirkung des Austritts,
11. Urteile im Verbandsklageverfahren,
12. Einlegung eines Rechtsmittels,
13. Eintritt der Rechtskraft,
14. Beschluss über die Bestellung eines Sachwalters, Beschluss, durch den die Ablehnung eines Sachwalters
für begründet erklärt wird, sowie Beschluss über die Entlassung eines Sachwalters,
15. Beschluss über die Eröffnung eines Umsetzungsverfahrens,
16. Beschluss über die Feststellung der Beendigung des Umsetzungsverfahrens,
17. sonstige Beendigung des Verbandsklageverfahrens,
18. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Unternehmers,
19. Verpflichtung des Bundesamts für Justiz, einem angemeldeten Verbraucher auf dessen Verlangen einen
Auszug über die Angaben zu überlassen, die im Verbandsklageregister zu ihm und seiner Anmeldung
erfasst sind.
§ 45 Veranlassung der Bekanntmachung durch das Gericht
Das Gericht übermittelt dem Bundesamt für Justiz unverzüglich veröffentlichungsfähige Fassungen der
im Verbandsklageregister öffentlich bekannt zu machenden Angaben (§ 44 Nummer 1 bis 6 und 9 bis 18),
insbesondere der Terminsbestimmungen, Hinweise, Zwischenentscheidungen und Urteile.
§ 46 Anmeldung von Ansprüchen; Rücknahme der Anmeldung
(1) Verbraucher können Ansprüche oder Rechtsverhältnisse, die Gegenstand einer Verbandsklage sind,
bis zum Ablauf von drei Wochen nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung zur Eintragung in das
Verbandsklageregister anmelden. § 193 des Bürgerlichen Gesetzbuchs findet keine Anwendung.
(2) Die Anmeldung ist nur wirksam, wenn sie frist- und formgerecht erfolgt und folgende Angaben enthält:
1. Name und Anschrift des Verbrauchers,
2. Angabe, ob die Anmeldung als kleines Unternehmen im Sinne des § 1 Absatz 2 erfolgt,
3. Bezeichnung des Gerichts und Aktenzeichen,
4. Bezeichnung des Beklagten,
5. Gegenstand und Grund des Anspruchs oder des Rechtsverhältnisses des Verbrauchers,
6. Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben.
Wird ein Zahlungsanspruch angemeldet, so soll die Anmeldung auch Angaben zur Höhe dieses Anspruchs
enthalten.
(3) Die Angaben der wirksamen Anmeldung werden ohne inhaltliche Prüfung in das Verbandsklageregister
eingetragen.
(4) Die Anmeldung kann bis zu dem in Absatz 1 genannten Zeitpunkt zurückgenommen werden. § 193 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs findet keine Anwendung.
§ 47 Formvorschriften
(1) Anmeldung und Rücknahme sind in Textform gegenüber dem Bundesamt für Justiz zu erklären.
(2) Wird die Anmeldung oder die Rücknahme durch einen Rechtsanwalt erklärt, muss für die Erklärung das vom
Bundesamt für Justiz hierfür elektronisch bereitgestellte Formular genutzt werden. Ist dies aus technischen
Gründen vorübergehend nicht möglich, so ist die Übermittlung in Textform zulässig. Die vorübergehende
Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung des
Bundesamts für Justiz ist die Erklärung mittels des elektronisch bereitgestellten Formulars nachzuholen. § 703 der
Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
(3) Die Absätze 1 und 2 sind auf die Erklärung des Austritts aus einem Vergleich entsprechend anzuwenden.
§ 48 Einsichtnahme und Auskunft
(1) Öffentliche Bekanntmachungen können von jedermann unentgeltlich im Verbandsklageregister eingesehen
werden.
(2) Das Bundesamt für Justiz hat dem Gericht sowie dem bestellten Sachwalter auf dessen Anforderung jeweils
einen Auszug aller im Verbandsklageregister erfassten Angaben über die Verbraucher zu übersenden, die sich
wirksam zu einer Verbandsklage zur Eintragung in das Verbandsklageregister angemeldet und ihre Anmeldung
nicht wirksam zurückgenommen haben. Das Gericht übermittelt den Parteien formlos eine Abschrift des Auszugs.
(3) Das Bundesamt für Justiz hat einem angemeldeten Verbraucher auf dessen Verlangen einen schriftlichen
Auszug über die Angaben zu überlassen, die im Klageregister zu ihm und seiner Anmeldung erfasst sind.
(4) Das Bundesamt für Justiz hat den Parteien einer Verbandsklage auf deren Anforderung jeweils einen Auszug
aller im Verbandsklageregister erfassten Angaben über diejenigen Verbraucher zu überlassen, die sich wirksam zu
einer Verbandsklage zur Eintragung in das Verbandsklageregister angemeldet und ihre Anmeldung nicht wirksam
zurückgenommen haben.
§ 49 Verordnungsermächtigung
Das Bundesministerium der Justiz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates
die näheren Einzelheiten zum Verbandsklageregister zu regeln, insbesondere Bestimmungen über Inhalt,
Aufbau, Führung und Art des Betriebs des Verbandsklageregisters, die Einreichung, Eintragung, Änderung
und Vernichtung der im Verbandsklageregister erfassten Angaben, die Erteilung von Auszügen aus dem
Verbandsklageregister sowie zur Information angemeldeter Verbraucher, zur Datensicherheit und Barrierefreiheit
zu treffen.
Abschnitt 5
Schlussvorschriften
§ 50 Evaluierung
Dieses Gesetz ist fünf Jahre nach dem Inkrafttreten zu evaluieren.