§ 1
Das Archivgut des Bundes ist durch das Bundesarchiv auf Dauer zu sichern, nutzbar zu
machen und wissenschaftlich zu verwerten.
§ 2
(1) Die Verfassungsorgane, Behörden und Gerichte des Bundes, die bundesunmittelbaren
Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts und die sonstigen
Stellen des Bundes haben alle Unterlagen, die sie zur Erfüllung ihrer öffentlichen
Aufgaben einschließlich der Wahrung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder
eines ihrer Länder nicht mehr benötigen, dem Bundesarchiv oder in Fällen des Absatzes 3
dem zuständigen Landesarchiv zur Übernahme anzubieten und, wenn es sich um Unterlagen
von bleibendem Wert im Sinne des § 3 handelt, als Archivgut des Bundes zu übergeben.
Von der Anbietungspflicht ausgenommen sind Unterlagen, deren Offenbarung gegen das
Brief-, Post- oder Fernmeldegeheimnis verstoßen würde. Rechtsvorschriften des Bundes,
durch die anderen Stellen Aufgaben nach § 1 übertragen sind, bleiben unberührt.
(2) Die gesetzgebenden Körperschaften entscheiden in eigener Zuständigkeit, ob
Unterlagen anzubieten und zu übergeben sind.
(3) Unterlagen von nachgeordneten Stellen des Bundes, deren örtliche Zuständigkeit sich
nicht auf den gesamten Geltungsbereich dieses Gesetzes erstreckt, sind mit Zustimmung
der zuständigen obersten Bundesbehörde dem zuständigen Landesarchiv anzubieten und
zu übergeben, wenn die Wahrung schutzwürdiger Belange Dritter im Sinne des Absatzes
4 und der §§ 4 und 5 durch Landesgesetz sichergestellt ist. Die zuständige oberste
Bundesbehörde kann solche Unterlagen dem Bundesarchiv anbieten und übergeben, sofern
hierfür ein begründetes Interesse des Bundes vorliegt.
(4) Anzubieten und zu übergeben sind auch Unterlagen, die
1. dem § 30 der Abgabenordnung, dem § 35 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch, dem §
32 des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank oder dem § 9 des Gesetzes über das
Kreditwesen unterliegen, oder
2. anderen als den in Nummer 1 genannten Rechtsvorschriften des Bundes über
Geheimhaltung unterliegen.
Das Bundesarchiv hat von der Übergabe an ebenso wie die abgebende Stelle die
schutzwürdigen Belange Betroffener zu berücksichtigen; insbesondere hat es bei
Unterlagen mit personenbezogenen Daten bei der Erfüllung seiner Aufgaben die
Vorschriften über die Verarbeitung und Sicherung dieser Unterlagen zu beachten, die für
die abgebende Stelle gelten.
(5) Soweit gleichförmigen Unterlagen, die in großer Zahl anfallen, bleibender Wert im
Sinne des § 3 zukommt, sind Art und Umfang der dem zuständigen Archiv zu übergebenden
Unterlagen durch Vereinbarung mit den in Absatz 1 bezeichneten Stellen vorab im
Grundsatz festzulegen. Bei maschinell lesbaren Datenträgern ist zusätzlich die Form
der Übermittlung der Daten zu vereinbaren; sie hat den allgemein anerkannten Regeln der
Technik zu entsprechen. Werden solche Unterlagen, die dem zuständigen Archiv angeboten
worden sind, nicht innerhalb von vier Monaten übernommen, ist die anbietende Stelle zu
einer weiteren Aufbewahrung der Unterlagen nicht verpflichtet.
(6) Unterlagen, die nach Auffassung der in Absatz 1 genannten Stellen und des
zuständigen Archivs von offensichtlich geringer Bedeutung sind, brauchen nicht
angeboten zu werden.
(7) Rechtsvorschriften über die Verpflichtung zur Vernichtung von Unterlagen bleiben
unberührt.
(8) Unterlagen im Sinne dieses Gesetzes sind Akten, Schriftstücke, Karten, Pläne
sowie Träger von Daten-, Bild-, Film-, Ton- und sonstigen Aufzeichnungen, die bei den
in Absatz 1 genannten Stellen des Bundes, bei Stellen der Deutschen Demokratischen
Republik, bei Stellen der Besatzungszonen, des Deutschen Reiches oder des Deutschen
Bundes erwachsen oder in deren Eigentum übergegangen oder diesen zur Nutzung überlassen
worden sind.
(9) Unterlagen im Sinne dieses Gesetzes sind auch solche der Sozialistischen
Einheitspartei Deutschlands, der mit dieser Partei verbundenen Organisationen und
juristischen Personen sowie der Massenorganisationen der Deutschen Demokratischen
Republik, soweit sie die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben betreffen. Dies gilt auch
für andere Parteien und mit diesen Parteien verbundene Organisationen und juristische
Personen der Deutschen Demokratischen Republik. (10) Das Bundesarchiv berät die in
Absatz 1 bezeichneten Stellen des Bundes bei der Verwaltung ihrer Unterlagen.
§ 2a
(1) Unter dem Namen "Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR"
wird im Bundesarchiv eine unselbständige Stiftung des öffentlichen Rechts errichtet.
Die Stiftung entsteht durch Erlaß des Bundesministers des Innern.
(2) Die Stiftung hat die Aufgabe, Unterlagen von Stellen nach § 2 Abs. 9 zu übernehmen,
auf Dauer zu sichern, nutzbar zu machen und zu ergänzen. Dies gilt auch für andere
Unterlagen, Materialien und Bibliotheksbestände zur deutschen Geschichte, insbesondere
zur Geschichte der deutschen und internationalen Arbeiterbewegung, die damit in
historischem oder sachlichem Zusammenhang stehen.
(3) Unterlagen nach § 2 Abs. 9 sind als Stiftungsvermögen der Stiftung zu übertragen.
Für andere Unterlagen, Materialien und Bibliotheksbestände sind mit den Eigentümern
gesonderte Vereinbarungen zu schließen.
(4) Die in § 5 Abs. 1 Satz 1 genannte Schutzfrist von 30 Jahren findet auf die Bestände
der Stiftung keine Anwendung. Im übrigen ist die Benutzung der Unterlagen der Stiftung
unter Beachtung von § 5 Abs. 1 letzter Satz sowie der Absätze 2, 5 und 6 in dem Erlaß
zu regeln.
§ 3
Das Bundesarchiv entscheidet im Benehmen mit der anbietenden Stelle, ob den Unterlagen
bleibender Wert für die Erforschung oder das Verständnis der deutschen Geschichte, die
Sicherung berechtigter Belange der Bürger oder die Bereitstellung von Informationen für
Gesetzgebung, Verwaltung oder Rechtsprechung zukommt.
§ 4
(1) Rechtsansprüche Betroffener auf Vernichtung der sie betreffenden personenbezogenen
Angaben bleiben unberührt.
(2) Dem Betroffenen ist auf Antrag Auskunft über die im Archivgut zu seiner Person
enthaltenen Daten zu erteilen, soweit das Archivgut durch Namen der Person erschlossen
ist. Anstelle einer Auskunft kann das Bundesarchiv Akteneinsicht gewähren.
(3) Wird festgestellt, daß personenbezogene Angaben unrichtig sind, so ist dies in
den Unterlagen zu vermerken oder auf sonstige Weise festzuhalten. Bestreitet ein
Betroffener die Richtigkeit personenbezogener Angaben, so ist ihm die Möglichkeit
einer Gegendarstellung einzuräumen. Das zuständige Archiv ist verpflichtet, die
Gegendarstellung den Unterlagen hinzuzufügen. Die Gegendarstellung kann auch von Erben
des Betroffenen verlangt werden, wenn sie ein berechtigtes Interesse daran geltend
machen.
§ 5
(1) Das Recht, Archivgut des Bundes aus einer mehr als 30 Jahre zurückliegenden Zeit
zu nutzen, steht jedermann auf Antrag zu, soweit durch Rechtsvorschrift nichts anderes
bestimmt ist. Weitergehende gesetzliche Rechte und besondere Vereinbarungen zugunsten
von Eigentümern privaten Archivguts bleiben unberührt.
(2) Archivgut des Bundes, das sich auf natürliche Personen bezieht, darf erst 30 Jahre
nach dem Tode der Betroffenen durch Dritte benutzt werden. Ist das Todesjahr nicht oder
nur mit unvertretbarem Aufwand festzustellen, endet die Schutzfrist 110 Jahre nach der
Geburt des Betroffenen.
(3) Archivgut nach § 2 Abs. 4 darf erst 60 Jahre nach Entstehen benutzt werden.
Diese Schutzfrist gilt nicht für Unterlagen aus der Zeit vor dem 23. Mai 1949, deren
Benutzung für die Durchführung bestimmter wissenschaftlicher Forschungsarbeiten oder
zur Wahrnehmung berechtigter Belange erforderlich ist.
(4) Die Schutzfristen der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für solche Unterlagen, die
bereits bei ihrer Entstehung zur Veröffentlichung bestimmt waren. Gleiches gilt
für Archivgut, soweit es vor der Übergabe an das Bundesarchiv oder die Archive
der gesetzgebenden Körperschaften bereits einem Informationszugang nach dem
Informationsfreiheitsgesetz offen gestanden hat.
(5) Die Schutzfrist nach Absatz 1 Satz 1 kann verkürzt werden, soweit Absatz 6 dem
nicht entgegensteht. Die Schutzfristen nach Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 können
verkürzt werden, wenn die Einwilligung des Betroffenen vorliegt. Liegt die Einwilligung
des Betroffenen nicht vor, können die Schutzfristen nach Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2
verkürzt werden, wenn die Benutzung für ein wissenschaftliches Forschungsvorhaben oder
zur Wahrnehmung berechtigter Belange unerläßlich ist, die im überwiegenden Interesse
einer anderen Person oder Stelle liegen und eine Beeinträchtigung schutzwürdiger
Belange durch angemessene Maßnahmen, insbesondere durch Vorlage anonymisierter
Reproduktionen, ausgeschlossen werden kann. Für Personen der Zeitgeschichte und
Amtsträger in Ausübung ihres Amtes können die Schutzfristen nach Absatz 1 Satz 1 und
Absatz 2 verkürzt werden, wenn die schutzwürdigen Belange des Betroffenen angemessen
berücksichtigt werden. Die Schutzfristen nach Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 können um
höchstens 30 Jahre verlängert werden, soweit dies im öffentlichen Interesse liegt. Ist
das Archivgut bei einer in § 2 Abs. 1 genannten Stelle des Bundes entstanden, bedarf
die Verkürzung oder Verlängerung der Schutzfristen der Einwilligung dieser Stelle.
(6) Die Benutzung ist nicht zulässig, soweit
1. Grund zu der Annahme besteht, daß das Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder
eines ihrer Länder gefährdet würde, oder
2. Grund zu der Annahme besteht, daß schutzwürdige Belange Dritter entgegenstehen,
oder
3. der Erhaltungszustand des Archivguts gefährdet würde, oder
4. ein nicht vertretbarer Verwaltungsaufwand entstehen würde, oder
5. die Geheimhaltungspflicht nach § 203 Abs. 1 bis 3 des Strafgesetzbuches oder
anderen Rechtsvorschriften des Bundes über Geheimhaltung verletzt würde.
(7) Die Benutzung von Unterlagen, die der Geheimhaltungspflicht nach § 203 Abs. 1 oder
3 des Strafgesetzbuches unterlegen haben, kann eingeschränkt oder versagt werden,
soweit dies zur Wahrung schutzwürdiger Belange Betroffener erforderlich ist. Dies gilt
auch für Unterlagen nach Absatz 3 Satz 2.
(8) Bei der Benutzung von Unterlagen, die älter als 30 Jahre sind und noch der
Verfügungsgewalt der in § 2 Abs. 1 bezeichneten Stellen unterliegen, sind die Absätze 1
bis 7 entsprechend anzuwenden. Dies gilt nicht für Unterlagen, die nach § 2 Abs. 5 und
6 nicht vom Bundesarchiv übernommen werden.
(9) Die Verknüpfung personenbezogener Daten ist nur zulässig, wenn schutzwürdige
Belange Betroffener nicht beeinträchtigt werden.
§ 6
Das für Angelegenheiten der Kultur und der Medien zuständige Mitglied der
Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des
Bundesrates nicht bedarf,
1. die Benutzung von Archivgut beim Bundesarchiv zu regeln und
2. Vorschriften über Gebühren und Auslagen für dessen Benutzung zu erlassen.
Die Gebühren sind unter Berücksichtigung des Benutzungszwecks nach dem Personal- und
Sachaufwand, den die Benutzung dem Bundesarchiv verursacht, zu bestimmen.
§ 7
Die Bundesregierung kann dem Bundesarchiv andere als in diesem Gesetz oder in anderen
Gesetzen genannte Aufgaben des Bundes übertragen, die in sachlichem Zusammenhang mit
dem Archivwesen des Bundes oder der Erforschung der deutschen Geschichte stehen.
§ 8
Unterlagen, die dem Steuergeheimnis nach § 30 der Abgabenordnung unterliegende Angaben
über Verhältnisse eines anderen oder fremde Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse
enthalten, dürfen auch von anderen als in § 2 Abs. 1 genannten öffentlichen Stellen den
zuständigen öffentlichen Archiven zum Zwecke der Archivierung angeboten und übergeben
werden. Auf die Nutzung der Unterlagen sind diejenigen Bestimmungen dieses Gesetzes
sinngemäß anzuwenden, die für Unterlagen im Sinne des § 2 Abs. 4 Nr. 1 gelten.
§ 9
Amtsträger und für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete in öffentlichen
Archiven unterliegen allen für die Bediensteten der abgebenden Stellen geltenden
Geheimhaltungsvorschriften, insbesondere § 30 der Abgabenordnung, § 203 Abs. 2 und §
355 des Strafgesetzbuches, § 32 des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank und § 9 des
Gesetzes über das Kreditwesen.
§ 10
-
§ 11
Unterlagen, die anderen als den in den §§ 8 und 10 genannten Rechtsvorschriften
des Bundes über Geheimhaltung unterliegen, dürfen von anderen als den in § 2 Abs.
1 genannten Stellen öffentlichen Archiven zur Übernahme und Nutzung angeboten und
übergeben werden, wenn die schutzwürdigen Belange Betroffener entsprechend den §§ 2 und
5 dieses Gesetzes berücksichtigt werden.
§ 12
Dieses Gesetz gilt nach Maßgabe des § 13 Abs. 1 des Dritten Überleitungsgesetzes auch
im Land Berlin. Rechtsverordnungen, die auf Grund dieses Gesetzes erlassen werden,
gelten im Land Berlin nach § 14 des Dritten Überleitungsgesetzes.
§ 13
Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.