1. Kapitel: Grundsätze und Geltungsbereich
Art. 1 Gegenstand und Verhältnis zum Strafgesetzbuch
1 Dieses Gesetz:
a. regelt die Sanktionen, welche gegenüber Personen zur Anwendung kommen,
die vor Vollendung des 18. Altersjahres eine nach dem Strafgesetzbuch
(StGB) 3 oder einem andern Bundesgesetz mit Strafe bedrohte Tat begangen
haben;
b. 4 …
2 Ergänzend zu diesem Gesetz sind die folgenden Bestimmungen des StGB sinn-gemäss anwendbar:
a. die Artikel 1–33 (Geltungsbereich und Strafbarkeit), mit Ausnahme von Ar-tikel 20 (zweifelhafte Schuldfähigkeit);
b. die Artikel 47, 48 und 51 (Strafzumessung);
c. Artikel 56 Absätze 2, 5 und 6 sowie Artikel 56a (Grundsätze bei Massnahmen);
d. die Artikel 69–73 (Einziehung und Verwendung zu Gunsten des Geschädigten);
e. Artikel 74 (Vollzugsgrundsätze);
f. Artikel 83 (Arbeitsentgelt);
g. Artikel 84 (Beziehungen zur Aussenwelt);
h. Artikel 85 (Kontrollen und Untersuchungen);
i. Artikel 92 (Unterbrechung des Vollzuges);
i bis. 5 Artikel 92a (Informationsrecht);
j. 6 die Artikel 98, 99 Absatz 2, 100 sowie 101 Absätze 1 Buchstaben a–d, 2 und
3 (Verjährung);
k. 7 die Artikel 103, 104 und 105 Absatz 2 (Übertretungen);
l. Artikel 110 (Begriffe);
m. die Artikel 111–332 (Zweites Buch: Besondere Bestimmungen);
n. 8 die Artikel 333–392 (Drittes Buch: Einführung und Anwendung des Geset-zes), mit Ausnahme der Artikel 380 (Kostentragung), 387 Absatz 1 Buch-stabe d und 2 (Ergänzende Bestimmungen des Bundesrates) und 388 Ab-satz 3 (Vollzug früherer Urteile);
o. Ziffer 3 der Übergangsbestimmungen der Änderung vom 13. Dezember
2002 9 (Strafregister).
AS 2006 3545
1 SR 101
2 BBl 1999 1979
3 SR 311.0
4 Aufgehoben durch Anhang Ziff. 1 der Jugendstrafprozessordnung vom 20. März 2009,
mit Wirkung seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 1573; BBl 2006 1085, 2008 3121).
3 Bei der Anwendung dieser Bestimmungen des StGB müssen die Grundsätze nach
Artikel 2 beachtet sowie Alter und Entwicklungsstand des Jugendlichen zu seinen
Gunsten berücksichtigt werden.
Art. 2 Grundsätze
1 Wegleitend für die Anwendung dieses Gesetzes sind der Schutz und die Erziehung
des Jugendlichen.
2 Den Lebens- und Familienverhältnissen des Jugendlichen sowie der Entwicklung
seiner Persönlichkeit ist besondere Beachtung zu schenken.
Art. 3 Persönlicher Geltungsbereich
1 Dieses Gesetz gilt für Personen, die zwischen dem vollendeten 10. und dem voll-endeten 18. Altersjahr eine mit Strafe bedrohte Tat begangen haben.
2 Sind gleichzeitig eine vor und eine nach Vollendung des 18. Altersjahres began-gene Tat zu beurteilen, so ist hinsichtlich der Strafen nur das StGB 10 anwendbar.
Dies gilt auch für die Zusatzstrafe (Art. 49 Abs. 2 StGB), die für eine Tat auszuspre-chen ist, welche vor Vollendung des 18. Altersjahres begangen wurde. Bedarf der
Täter einer Massnahme, so ist diejenige Massnahme nach dem StGB oder nach
diesem Gesetz anzuordnen, die nach den Umständen erforderlich ist. Wurde ein
Verfahren gegen Jugendliche eingeleitet, bevor die nach Vollendung des 18. Alters-
jahres begangene Tat bekannt wurde, so bleibt dieses Verfahren anwendbar. An-dernfalls ist das Verfahren gegen Erwachsene anwendbar.
5 Eingefügt durch Ziff. I 2 des BG vom 26. Sept. 2014 über das Informationsrecht des
Opfers, in Kraft seit 1. Jan. 2016 (AS 2015 1623; BBl 2014 889 913).
6 Fassung gemäss Ziff. I 2 des BG vom 15. Juni 2012 (Unverjährbarkeit sexueller und
pornografischer Straftaten an Kindern vor der Pubertät), in Kraft seit 1. Jan. 2013
(AS 2012 5951; BBl 2011 5977).
7 AS 2009 6103
8 Fassung gemäss Anhang Ziff. 1 der Jugendstrafprozessordnung vom 20. März 2009, in
Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 1573; BBl 2006 1085, 2008 3121).
9 SR 311.0 in fine
10 SR 311.0
Art. 4 Taten vor dem 10. Altersjahr
Stellt die zuständige Behörde im Laufe eines Verfahrens fest, dass eine Tat von
einem Kind unter zehn Jahren begangen worden ist, so benachrichtigt sie die gesetz-lichen Vertreter des Kindes. Liegen Anzeichen dafür vor, dass das Kind besondere
Hilfe benötigt, so ist auch die Vormundschaftsbehörde 11 oder die durch das kantona-le Recht bezeichnete Fachstelle für Jugendhilfe zu benachrichtigen.
2. Kapitel: Untersuchung
Art. 5 Vorsorgliche Anordnung von Schutzmassnahmen
Während der Untersuchung kann die zuständige Behörde vorsorglich die Schutz-massnahmen nach den Artikeln 12–15 anordnen.
Art. 6–8 12
Art. 9 Abklärung der persönlichen Verhältnisse, Beobachtung und
Begutachtung
1 Soweit dies für den Entscheid über die Anordnung einer Schutzmassnahme oder
Strafe erforderlich ist, klärt die zuständige Behörde die persönlichen Verhältnisse
des Jugendlichen ab, namentlich in Bezug auf Familie, Erziehung, Schule und Beruf.
Zu diesem Zweck kann sie auch eine ambulante oder stationäre Beobachtung anord-nen.
2 Mit der Abklärung kann eine Person oder Stelle beauftragt werden, die eine fach-gerechte Durchführung gewährleistet.
3 Besteht ernsthafter Anlass, an der physischen oder psychischen Gesundheit des
Jugendlichen zu zweifeln, oder erscheint die Unterbringung zur Behandlung einer
psychischen Störung in einer offenen Einrichtung oder die Unterbringung in einer
geschlossenen Einrichtung angezeigt, so ordnet die zuständige Behörde eine medi-zinische oder psychologische Begutachtung an.
11 Seit Inkrafttreten des BG vom 19. Dez. 2008 (Erwachsenenschutz, Personenrecht und
Kindesrecht; AS 2011 725) am 1. Jan. 2013: Kindesschutzbehörde.
12 Aufgehoben durch Anhang Ziff. 1 der Jugendstrafprozessordnung vom 20. März 2009,
mit Wirkung seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 1573; BBl 2006 1085, 2008 3121).
3. Kapitel: Schutzmassnahmen und Strafen
1. Abschnitt: Allgemeine Voraussetzungen
Art. 10 Anordnung der Schutzmassnahmen
1 Hat der Jugendliche eine mit Strafe bedrohte Tat begangen und ergibt die Abklä-rung, dass er einer besonderen erzieherischen Betreuung oder therapeutischen Be-handlung bedarf, so ordnet die urteilende Behörde die nach den Umständen erforder-lichen Schutzmassnahmen an, unabhängig davon, ob er schuldhaft gehandelt hat.
2 Hat der Jugendliche keinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz, so kann die
urteilende Behörde von der Anordnung einer Schutzmassnahme absehen.
Art. 11 Anordnung der Strafen
1 Hat der Jugendliche schuldhaft gehandelt, so verhängt die urteilende Behörde
zusätzlich zu einer Schutzmassnahme oder als einzige Rechtsfolge eine Strafe.
Artikel 21 über die Strafbefreiung bleibt vorbehalten.
2 Schuldhaft handeln kann nur der Jugendliche, der fähig ist, das Unrecht seiner Tat
einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.
2. Abschnitt: Schutzmassnahmen
Art. 12 Aufsicht
1 Besteht Aussicht darauf, dass die Inhaber der elterlichen Sorge oder die Pflege-eltern die erforderlichen Vorkehrungen treffen, um eine geeignete erzieherische
Betreuung oder therapeutische Behandlung des Jugendlichen sicherzustellen, so
bestimmt die urteilende Behörde eine geeignete Person oder Stelle, der Einblick und
Auskunft zu geben ist. Die urteilende Behörde kann den Eltern Weisungen erteilen.
2 Ist der Jugendliche bevormundet, so darf keine Aufsicht angeordnet werden.
3 Die Aufsicht kann nach Erreichen des Mündigkeitsalters 13 nur mit Einverständnis
des Betroffenen angeordnet werden.
13 Seit Inkrafttreten des BG vom 19. Dez. 2008 (Erwachsenenschutz, Personenrecht und
Kindesrecht; AS 2011 725) am 1. Jan. 2013: des Volljährigkeitsalters.
Art. 13 Persönliche Betreuung
1 Genügt eine Aufsicht nach Artikel 12 nicht, so bestimmt die urteilende Behörde
eine geeignete Person, welche die Eltern in ihrer Erziehungsaufgabe unterstützt und
den Jugendlichen persönlich betreut.
2 Die urteilende Behörde kann der mit der Betreuung betrauten Person bestimmte
Befugnisse bezüglich der Erziehung, Behandlung und Ausbildung des Jugendlichen
übertragen und die elterliche Sorge entsprechend beschränken. Sie kann sie in Ab-
weichung von Artikel 323 Absatz 1 des Zivilgesetzbuches (ZGB) 14 auch mit der
Verwaltung des Erwerbseinkommens des Jugendlichen beauftragen.
3 Ist der Jugendliche bevormundet, so darf keine persönliche Betreuung angeordnet
werden.
4 Die persönliche Betreuung kann nach Erreichen des Mündigkeitsalters 15 nur mit
Einverständnis des Betroffenen angeordnet werden.
Art. 14 Ambulante Behandlung
1 Leidet der Jugendliche unter psychischen Störungen, ist er in seiner Persönlich-keitsentwicklung beeinträchtigt oder ist er von Suchtstoffen oder in anderer Weise
abhängig, so kann die urteilende Behörde anordnen, dass er ambulant behandelt wird.
2 Die ambulante Behandlung kann mit der Aufsicht (Art. 12) oder der persönlichen
Betreuung (Art. 13) oder der Unterbringung in einer Erziehungseinrichtung (Art. 15
Abs. 1) verbunden werden.
Art. 15 Unterbringung
a. Inhalt und Voraussetzungen
1 Kann die notwendige Erziehung und Behandlung des Jugendlichen nicht anders
sichergestellt werden, so ordnet die urteilende Behörde die Unterbringung an. Diese
erfolgt namentlich bei Privatpersonen oder in Erziehungs- oder Behandlungseinrich-tungen, die in der Lage sind, die erforderliche erzieherische oder therapeutische
Hilfe zu leisten.
2 Die urteilende Behörde darf die Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung
nur anordnen, wenn sie:
a. für den persönlichen Schutz oder für die Behandlung der psychischen Stö-rung des Jugendlichen unumgänglich ist; oder
b. für den Schutz Dritter vor schwer wiegender Gefährdung durch den Jugend-lichen notwendig ist.
3 Vor der Unterbringung zur Behandlung einer psychischen Störung in einer offenen
Einrichtung oder vor der Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung ordnet
die urteilende Behörde eine medizinische oder psychologische Begutachtung an,
falls diese nicht bereits auf Grund von Artikel 9 Absatz 3 erstellt wurde.
4 Ist der Jugendliche bevormundet, so teilt die urteilende Behörde der Vormund-schaftsbehörde 16 die Anordnung der Unterbringung mit.
14 SR 210
15 Seit Inkrafttreten des BG vom 19. Dez. 2008 (Erwachsenenschutz, Personenrecht und
Kindesrecht; AS 2011 725) am 1. Jan. 2013: des Volljährigkeitsalters.
16 Seit Inkrafttreten des BG vom 19. Dez. 2008 (Erwachsenenschutz, Personenrecht und
Kindesrecht; AS 2011 725) am 1. Jan. 2013: Kindesschutzbehörde.
Art. 16 b. Vollzug
1 Die Vollzugsbehörde regelt für die Dauer der Unterbringung die Ausübung des
Rechts der Eltern oder Dritter auf persönlichen Verkehr mit dem Jugendlichen nach
den Artikeln 273 ff. ZGB 17.
2 Im Vollzug einer disziplinarischen Massnahme darf der Jugendliche ausnahms-weise und nicht länger als sieben Tage ununterbrochen von den andern Jugendlichen
getrennt werden.
3 Hat der Jugendliche das 17. Altersjahr vollendet, so kann die Massnahme in einer
Einrichtung für junge Erwachsene (Art. 61 StGB 18) vollzogen oder weitergeführt
werden.
4 Für den Vollzug von Massnahmen können private Einrichtungen beigezogen
werden. 19
Art. 16a 20 Tätigkeitsverbot, Kontakt- und Rayonverbot
1 Die urteilende Behörde kann dem Jugendlichen verbieten, bestimmte berufliche
Tätigkeiten oder bestimmte organisierte ausserberufliche Tätigkeiten auszuüben,
wenn die Gefahr besteht, dass er diese zur Begehung von Sexualstraftaten an Min-derjährigen oder anderen besonders schutzbedürftigen Personen missbraucht.
2 Besteht die Gefahr, dass der Jugendliche bei einem Kontakt zu bestimmten Perso-nen oder zu Personen einer bestimmten Gruppe Straftaten begehen wird, so kann die
urteilende Behörde dem Jugendlichen verbieten, mit diesen Personen Kontakt aufzunehmen oder sich an bestimmten Orten auf-zuhalten.
3 Die Vollzugsbehörde bestimmt eine geeignete Person, die den Jugendlichen wäh-rend der Dauer eines Verbots begleitet und ihr Bericht erstattet.
4 Für den Vollzug des Verbots nach Absatz 2 kann die Vollzugsbehörde technische
Geräte einsetzen, die mit dem Jugendlichen fest verbunden sind. Diese können
insbesondere der Feststellung des Standorts des Jugendlichen dienen.
Art. 17 Gemeinsame Bestimmungen zum Vollzug der Massnahmen
1 Die Vollzugsbehörde bestimmt, wer mit dem Vollzug der ambulanten Behandlung
und der Unterbringung betraut wird.
2 Sie überwacht die Durchführung aller Massnahmen. Sie erlässt die nötigen Wei-sungen und legt fest, wie häufig ihr Bericht zu erstatten ist.
3 Beim Vollzug der Massnahmen ist dafür zu sorgen, dass der Jugendliche angemes-sen unterrichtet und ausgebildet wird.
17 SR 210
18 SR 311.0
19 Eingefügt durch Anhang Ziff. 1 der Jugendstrafprozessordnung vom 20. März 2009, in
Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 1573; BBl 2006 1085, 2008 3121).
20 Eingefügt durch Ziff. I 3 des BG vom 13. Dez. 2013 über das Tätigkeitsverbot und das
Kontakt- und Rayonverbot, in Kraft seit 1. Jan. 2015 (AS 2014 2055; BBl 2012 8819).
Art. 18 Änderung der Massnahmen
1 Haben sich die Verhältnisse geändert, so kann eine Massnahme durch eine andere
ersetzt werden. Ist die neue Massnahme härter, so ist für die Änderung die urteilende
Behörde zuständig.
2 Die Änderung der Massnahmen kann vom Jugendlichen oder seinen gesetzlichen
Vertretern beantragt werden.
Art. 19 Beendigung der Massnahmen
1 Die Vollzugsbehörde prüft jährlich, ob und wann die Massnahme aufgehoben
werden kann. Sie hebt sie auf, wenn ihr Zweck erreicht ist oder feststeht, dass sie
keine erzieherischen oder therapeutischen Wirkungen mehr entfaltet.
2 Alle Massnahmen enden mit Vollendung des 25. Altersjahres. 21
3 Ist der Wegfall einer Schutzmassnahme für den Betroffenen selber oder für die
Sicherheit Dritter mit schwer wiegenden Nachteilen verbunden und kann diesen
nicht auf andere Weise begegnet werden, so beantragt die Vollzugsbehörde rechtzei-tig die Anordnung geeigneter vormundschaftlicher Massnahmen 22.
4 Ist der Wegfall eines Verbots nach Artikel 16a für die Sicherheit Dritter mit
schwerwiegenden Nachteilen verbunden, so beantragt die Vollzugsbehörde rechtzeitig dem Gericht am Wohnsitz des Jugendlichen zu prüfen, ob die Voraus-setzungen für ein Verbot nach Artikel 67 oder 67b StGB 23 gegeben sind. Sind
die Voraussetzungen gegeben, so wird das Verbot nach Erwachsenenstrafrecht
angeordnet. Sind die Voraussetzungen für ein Verbot nach Artikel 67 Absatz 3
oder 4 StGB gegeben, so legt das Gericht eine Frist zwischen einem Jahr und zehn
Jahren fest. 24
21 Fassung gemäss Anhang Ziff. 2 des BG vom 19. Juni 2015 (Änderungen des Sanktionenrechts), in Kraft seit 1. Juli 2016 (AS 2016 1249; BBl 2012 4721).
22 Seit Inkrafttreten des BG vom 19. Dez. 2008 (Erwachsenenschutz, Personenrecht und
Kindesrecht; AS 2011 725) am 1. Jan. 2013: Kindesschutzmassnahmen.
23 SR 311.0
24 Eingefügt durch Ziff. I 3 des BG vom 13. Dez. 2013 über das Tätigkeitsverbot und das
Kontakt- und Rayonverbot, in Kraft seit 1. Jan. 2015 (AS 2014 2055; BBl 2012 8819).
Art. 20 Zusammenarbeit zwischen Behörden des Zivilrechts und
des Jugendstrafrechts
1 Die Jugendstrafbehörde kann:
a. die Anordnung, Änderung oder Aufhebung von Massnahmen, für die sie
nicht zuständig ist, bei der Behörde des Zivilrechts beantragen;
b. Vorschläge für die Wahl eines Vormundes unterbreiten oder die Ersetzung
des gesetzlichen Vertreters beantragen.
2 Die Jugendstrafbehörde kann die Anordnung von Schutzmassnahmen der Behörde
des Zivilrechts übertragen, wenn dafür wichtige Gründe bestehen, namentlich wenn:
a. auch für Geschwister, die keine Straftat begangen haben, Massnahmen zu
ergreifen sind;
b. es notwendig erscheint, früher angeordnete zivilrechtliche Massnahmen
fortzusetzen;
c. ein Verfahren auf Entziehung der elterlichen Sorge eingeleitet ist.
3 Verzichtet die Behörde des Zivilrechts im Interesse eines einheitlichen Vorgehens
darauf, selber Massnahmen anzuordnen, so kann sie bei der Jugendstrafbehörde den
Erlass, die Änderung oder die Aufhebung von Schutzmassnahmen nach den Arti-keln 10 und 12–19 beantragen.
4 Die Behörde des Zivilrechts und die Jugendstrafbehörde teilen einander ihre Ent-scheide mit.
3. Abschnitt: Strafen
Art. 21 Strafbefreiung
1 Die urteilende Behörde sieht von einer Bestrafung ab, wenn:
a. die Bestrafung das Ziel einer früher angeordneten oder im laufenden Verfah-ren anzuordnenden Schutzmassnahme gefährden würde;
b. die Schuld des Jugendlichen und die Tatfolgen gering sind;
c. 25 der Jugendliche den Schaden so weit als möglich durch eigene Leistung
wieder gutgemacht oder eine besondere Anstrengung unternommen hat, um
das von ihm begangene Unrecht auszugleichen, und wenn:
1. als Strafe nur ein Verweis nach Artikel 22 in Betracht kommt,
2. die Strafverfolgung für die Öffentlichkeit und den Geschädigten nur
von geringem Interesse ist, und
3. der Jugendliche den Sachverhalt eingestanden hat;
d. der Jugendliche durch die unmittelbaren Folgen seiner Tat so schwer betrof-fen ist, dass eine Strafe unangemessen wäre;
e. der Jugendliche wegen seiner Tat von den Eltern, andern erziehungsberech-tigten Personen oder Dritten schon genug bestraft worden ist; oder
f. seit der Tat verhältnismässig lange Zeit verstrichen ist, der Jugendliche sich
wohlverhalten hat und das Interesse der Öffentlichkeit und des Geschädigten
an der Strafverfolgung gering sind.
2 Von einer Bestrafung kann ferner abgesehen werden, wenn der ausländische Staat,
in dem der Jugendliche seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wegen der Tat des
Jugendlichen bereits ein Verfahren eingeleitet oder sich bereit erklärt hat, ein sol-ches einzuleiten.
3 … 26
25 Fassung gemäss Ziff. I 2 des BG vom 14. Dez. 2018 über die Änderung der Wiedergutmachungsregelung, in Kraft seit 1. Juli 2019 (AS 2019 1809; BBl 2018 3757 4925).
Art. 22 Verweis
1 Die urteilende Behörde spricht den Jugendlichen schuldig und erteilt ihm einen
Verweis, wenn dies voraussichtlich genügt, um den Jugendlichen von weiteren
Straftaten abzuhalten. Der Verweis besteht in einer förmlichen Missbilligung der
Tat.
2 Die urteilende Behörde kann dem Jugendlichen zusätzlich eine Probezeit von
sechs Monaten bis zu zwei Jahren und damit verbundene Weisungen auferlegen.
Begeht der Jugendliche während der Probezeit schuldhaft eine mit Strafe bedrohte
Tat oder missachtet er die Weisungen, so kann die urteilende Behörde eine andere
Strafe als einen Verweis verhängen.
Art. 23 Persönliche Leistung
1 Der Jugendliche kann zu einer persönlichen Leistung zu Gunsten von sozialen
Einrichtungen, von Werken im öffentlichen Interesse, von hilfsbedürftigen Personen
oder des Geschädigten mit deren Zustimmung verpflichtet werden. Die Leistung hat
dem Alter und den Fähigkeiten des Jugendlichen zu entsprechen. Sie wird nicht
entschädigt.
2 Als persönliche Leistung kann auch die Teilnahme an Kursen oder ähnlichen
Veranstaltungen angeordnet werden.
3 Die persönliche Leistung dauert höchstens zehn Tage. Für Jugendliche, die zur Zeit
der Tat das 15. Altersjahr vollendet und ein Verbrechen oder ein Vergehen begangen
haben, kann die persönliche Leistung bis zu einer Dauer von drei Monaten angeord-net und mit der Verpflichtung verbunden werden, sich an einem bestimmten Ort
aufzuhalten.
4 Wird die Leistung nicht fristgemäss oder mangelhaft erbracht, so ermahnt die
vollziehende Behörde den Jugendlichen unter Ansetzung einer letzten Frist.
5 Bleibt die Mahnung ohne Erfolg und hat der Jugendliche zur Zeit der Tat das
15. Altersjahr nicht vollendet, so kann er verpflichtet werden, die Leistung unter
unmittelbarer Aufsicht der vollziehenden Behörde oder einer von ihr bestimmten
Person zu erbringen.
6 Bleibt die Mahnung ohne Erfolg und hat der Jugendliche zur Zeit der Tat das
15. Altersjahr vollendet, so erkennt die urteilende Behörde:
a. an Stelle einer Leistung bis zu zehn Tagen auf Busse;
b. an Stelle einer Leistung über zehn Tagen auf Busse oder Freiheitsentzug; der
Freiheitsentzug darf die Dauer der umgewandelten Leistung nicht über-steigen.
26 Aufgehoben durch Anhang Ziff. 1 der Jugendstrafprozessordnung vom 20. März 2009,
mit Wirkung seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 1573; BBl 2006 1085, 2008 3121).
Art. 24 Busse
1 Der Jugendliche, der zur Zeit der Tat das 15. Altersjahr vollendet hat, kann mit
Busse bestraft werden. Diese beträgt höchstens 2000 Franken. Sie ist unter Berück-sichtigung der persönlichen Verhältnisse des Jugendlichen festzusetzen.
2 Die Vollzugsbehörde bestimmt die Zahlungsfrist; sie kann Erstreckungen und
Teilzahlungen gewähren.
3 Auf Gesuch des Jugendlichen kann die Vollzugsbehörde die Busse ganz oder
teilweise in eine persönliche Leistung umwandeln, ausser wenn die Busse an Stelle
einer nicht erbrachten persönlichen Leistung ausgesprochen wurde.
4 Haben sich die für die Bemessung der Busse massgebenden Verhältnisse seit dem
Urteil ohne Verschulden des Jugendlichen verschlechtert, so kann die urteilende
Behörde die Busse herabsetzen.
5 Bezahlt der Jugendliche die Busse nicht innert der gesetzten Frist, so wandelt sie
die urteilende Behörde in Freiheitsentzug bis zu 30 Tagen um. Die Umwandlung ist
ausgeschlossen, wenn der Jugendliche ohne sein Verschulden zahlungsunfähig ist.
Art. 25 Freiheitsentzug
a. Inhalt und Voraussetzungen
1 Der Jugendliche, der nach Vollendung des 15. Altersjahres ein Verbrechen oder
ein Vergehen begangen hat, kann mit Freiheitsentzug von einem Tag bis zu einem
Jahr bestraft werden.
2 Der Jugendliche, der zur Zeit der Tat das 16. Altersjahr vollendet hat, wird mit
Freiheitsentzug bis zu vier Jahren bestraft, wenn er:
a. ein Verbrechen begangen hat, das nach dem für Erwachsene anwendbaren
Recht mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bedroht ist;
b. eine Tat nach den Artikeln 122, 140 Ziffer 3 oder Artikel 184 StGB 27 be-gangen und dabei besonders skrupellos gehandelt hat, namentlich wenn der
Beweggrund des Jugendlichen, der Zweck der Tat oder die Art ihrer Ausfüh-rung eine besonders verwerfliche Gesinnung offenbaren.
27 SR 311.0
Art. 26 b. Umwandlung in persönliche Leistung
Auf Gesuch des Jugendlichen kann die urteilende Behörde einen Freiheitsentzug bis
zu drei Monaten in eine persönliche Leistung von gleicher Dauer umwandeln, ausser
wenn der Freiheitsentzug an Stelle nicht erbrachter persönlicher Leistungen ausge-sprochen wurde. Die Umwandlung kann sofort für die ganze Dauer oder nachträg-lich für den Rest des Freiheitsentzuges angeordnet werden.
Art. 27 c. Vollzug
1 Der Freiheitsentzug bis zu einem Jahr kann in Form der Halbgefangenschaft
(Art. 77b StGB 28) vollzogen werden. Der Freiheitsentzug bis zu einem Monat kann
auch tageweise vollzogen werden. Dabei wird die Strafe in mehrere Vollzugs-abschnitte aufgeteilt, die auf Ruhe- oder Ferientage des Jugendlichen fallen. 29
2 Der Freiheitsentzug ist in einer Einrichtung für Jugendliche zu vollziehen, in der
jeder Jugendliche entsprechend seiner Persönlichkeit erzieherisch betreut und ins-besondere auf die soziale Eingliederung nach der Entlassung vorbereitet wird.
3 Die Einrichtung muss geeignet sein, die Persönlichkeitsentwicklung des Jugend-lichen zu fördern. Ist ein Schulbesuch, eine Lehre oder eine Erwerbstätigkeit aus-serhalb der Einrichtung nicht möglich, so ist dem Jugendlichen in der Einrichtung
selbst der Beginn, die Fortsetzung und der Abschluss einer Ausbildung oder eine
Erwerbstätigkeit zu ermöglichen.
4 Eine therapeutische Behandlung ist sicherzustellen, sofern der Jugendliche ihrer
bedarf und für sie zugänglich ist.
5 Dauert der Freiheitsentzug länger als ein Monat, so begleitet eine geeignete, von
der Einrichtung unabhängige Person den Jugendlichen und hilft ihm, seine Interes-sen wahrzunehmen.
6 Für den Vollzug von Strafen können private Einrichtungen beigezogen werden. 30
Art. 28 Bedingte Entlassung aus dem Freiheitsentzug
a. Gewährung
1 Hat der Jugendliche die Hälfte, mindestens aber zwei Wochen des Freiheitsentzugs
verbüsst, so kann ihn die Vollzugsbehörde bedingt entlassen, wenn nicht anzuneh-men ist, er werde weitere Verbrechen oder Vergehen begehen.
2 Die Vollzugsbehörde prüft von Amtes wegen, ob der Jugendliche bedingt entlassen
werden kann. Sie holt je einen Bericht der Leitung der Einrichtung sowie der Person
ein, welche den Jugendlichen begleitet. Der Jugendliche ist anzuhören, wenn die
Vollzugsbehörde beabsichtigt, die bedingte Entlassung zu verweigern.
3 Ist der Freiheitsentzug nach Artikel 25 Absatz 2 verhängt worden, so entscheidet
die Vollzugsbehörde nach Anhörung einer Kommission nach Artikel 62d Absatz 2
StGB 31.
4 Wird die bedingte Entlassung verweigert, so hat die zuständige Behörde mindes-tens einmal halbjährlich neu zu prüfen, ob sie gewährt werden kann.
28 SR 311.0
29 Fassung gemäss Anhang Ziff. 2 des BG vom 19. Juni 2015 (Änderungen des Sanktionenrechts), in Kraft seit 1. Jan. 2018 (AS 2016 1249; BBl 2012 4721).
30 Eingefügt durch Anhang Ziff. 1 der Jugendstrafprozessordnung vom 20. März 2009, in
Kraft seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 1573; BBl 2006 1085, 2008 3121). 31 SR
311.0
Art. 29 b. Probezeit
1 Die Vollzugsbehörde auferlegt dem bedingt entlassenen Jugendlichen eine Probe-zeit, deren Dauer dem Strafrest entspricht, jedoch mindestens sechs Monate und
höchstens zwei Jahre beträgt.
2 Die Vollzugsbehörde kann dem bedingt entlassenen Jugendlichen Weisungen
erteilen. Diese betreffen insbesondere die Teilnahme an Freizeitveranstaltungen, die
Wiedergutmachung des Schadens, den Besuch von Lokalen, das Führen eines Mo-torfahrzeuges oder die Abstinenz von Stoffen, die das Bewusstsein beeinträchtigen.
3 Die Vollzugsbehörde bestimmt eine geeignete Person, die den Jugendlichen wäh-rend der Probezeit begleitet und ihr Bericht erstattet.
Art. 30 c. Bewährung
Hat sich der bedingt entlassene Jugendliche bis zum Ablauf der Probezeit bewährt,
so ist er endgültig entlassen.
Art. 31 d. Nichtbewährung
1 Begeht der bedingt entlassene Jugendliche während der Probezeit ein Verbrechen
oder Vergehen oder handelt er trotz förmlicher Mahnung den ihm erteilten Weisun-gen zuwider und ist deswegen zu erwarten, dass er weitere Straftaten verüben wird,
so verfügt die über die neue Tat urteilende Behörde oder, bei Verstoss gegen die
Weisungen, die Vollzugsbehörde den Vollzug eines Teils oder der ganzen Reststrafe
(Rückversetzung). Der Teilvollzug kann nur einmal gewährt werden.
2 Sind auf Grund der neuen Straftat die Voraussetzungen für einen unbedingten
Freiheitsentzug erfüllt und trifft dieser mit der durch den Widerruf vollziehbar
gewordenen Reststrafe zusammen, so bildet die urteilende Behörde aus dem früher
verhängten und dem neuen Freiheitsentzug eine Gesamtstrafe im Sinne von Arti-kel 34. Auf diese sind die Regeln der bedingten Entlassung erneut anwendbar.
3 Ist trotz der Nichtbewährung zu erwarten, dass der Jugendliche keine weiteren
Straftaten verüben wird, so verzichtet die urteilende Behörde oder, bei Verstoss
gegen die Weisungen, die Vollzugsbehörde auf eine Rückversetzung. Sie kann den
Jugendlichen verwarnen und die Probezeit um höchstens ein Jahr verlängern. Erfolgt
die Verlängerung erst nach Ablauf der Probezeit, so beginnt sie am Tag der Anord-nung.
4 Die Rückversetzung darf nicht mehr angeordnet werden, wenn seit dem Ablauf der
Probezeit zwei Jahre vergangen sind.
5 Ist für die Beurteilung der neuen Tat das StGB 32 anwendbar, so wendet die urtei-lende Behörde bezüglich des Widerrufs Artikel 89 StGB an.
32 SR 311.0
Art. 32 Zusammentreffen von Schutzmassnahmen und Freiheitsentzug
1 Die Unterbringung geht dem Vollzug eines gleichzeitig ausgesprochenen oder
eines wegen Widerruf oder Rückversetzung vollziehbaren Freiheitsentzuges voraus.
2 Wird die Unterbringung aufgehoben, weil sie ihren Zweck erreicht hat, so wird der
Freiheitsentzug nicht mehr vollzogen.
3 Wird die Unterbringung aus einem anderen Grund aufgehoben, so entscheidet die
urteilende Behörde, ob und wieweit der Freiheitsentzug noch zu vollziehen ist.
Dabei ist die mit der Unterbringung verbundene Freiheitsbeschränkung anzurech-nen.
4 Die urteilende Behörde kann den Vollzug eines gleichzeitig ausgesprochenen
und eines wegen Widerrufs oder Rückversetzung vollziehbaren Freiheitsentzugs
zu Gunsten der ambulanten Behandlung, der persönlichen Betreuung oder der Auf-sicht aufschieben. Im Falle der Aufhebung dieser Schutzmassnahmen gelten die
Absätze 2 und 3 sinngemäss.
Art. 33 Verbindung von Strafen
Persönliche Leistung nach Artikel 23 Absatz 2 und Freiheitsentzug können mit
Busse verbunden werden.
Art. 34 Gesamtstrafe
1 Hat die urteilende Behörde gleichzeitig mehrere Straftaten des Jugendlichen zu
beurteilen, so kann sie entweder die Strafen nach Artikel 33 verbinden oder, wenn
die Voraussetzungen für mehrere gleichartige Strafen erfüllt sind, eine Gesamtstrafe
bilden, indem sie die Strafe der schwersten Tat angemessen erhöht.
2 Die einzelnen Taten dürfen bei der Bildung der Gesamtstrafe nicht stärker ins
Gewicht fallen, als wenn sie für sich allein beurteilt worden wären. Die Gesamt-strafe darf das gesetzliche Höchstmass einer Strafart nicht überschreiten.
3 Die Absätze 1 und 2 gelten auch, wenn der Jugendliche die Straftaten teils vor und
teils nach der Altersgrenze begangen hat, die für die Verhängung einer persönlichen
Leistung bis zu drei Monaten (Art. 23 Abs. 3), einer Busse (Art. 24 Abs. 1) oder
eines Freiheitsentzugs (Art. 25 Abs. 1 und 2) massgebend ist.
Art. 35 Bedingter Vollzug von Strafen
1 Die urteilende Behörde schiebt den Vollzug einer Busse, einer persönlichen Leis-tung oder eines Freiheitsentzuges von höchstens 30 Monaten ganz oder teilweise
auf, soweit eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Jugendlichen
von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.
2 Die Artikel 29–31 gelten für aufgeschobene Strafen sinngemäss. Wird ein Frei-heitsentzug nur teilweise aufgeschoben, so sind die Artikel 28–31 auf den vollzieh-baren Teil nicht anwendbar.
4. Kapitel: Verjährung
Art. 36 Verfolgungsverjährung
1 Die Strafverfolgung verjährt in:
a. fünf Jahren, wenn die Tat nach dem für Erwachsene anwendbaren Recht mit
einer Freiheitsstrafe von über drei Jahren bedroht ist;
b. drei Jahren, wenn die Tat nach dem für Erwachsene anwendbaren Recht mit
einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bedroht ist;
c. einem Jahr, wenn die Tat nach dem für Erwachsene anwendbaren Recht mit
einer andern Strafe bedroht ist.
2 Bei Straftaten nach den Artikeln 111–113, 122, 189–191, 195 und 196 StGB 33, die
sich gegen ein Kind unter 16 Jahren richten, dauert die Verfolgungsverjährung in
jedem Fall mindestens bis zum vollendeten 25. Lebensjahr des Opfers. Dies gilt
auch, wenn solche Straftaten vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes begangen wor-den sind und die Verfolgungsverjährung zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingetreten
ist.
Art. 37 Vollstreckungsverjährung
1 Die Strafen verjähren in:
a. vier Jahren, wenn ein Freiheitsentzug von mehr als sechs Monaten ausge-sprochen wurde;
b. zwei Jahren, wenn eine andere Strafe ausgesprochen wurde.
2 Der Vollzug jeder nach diesem Gesetz ausgesprochenen Strafe endet spätestens,
wenn der verurteilte Jugendliche das 25. Altersjahr vollendet.
5. Kapitel: …
Art. 38–43 34
6. Kapitel: Schlussbestimmungen
1. Abschnitt: Änderung bisherigen Rechts
Art. 44
… 35
33 SR 311.0. Heute: nach den Art. 111–113, 122, 182, 189–191 und 195.
34 Aufgehoben durch Anhang Ziff. 1 der Jugendstrafprozessordnung vom 20. März 2009,
mit Wirkung seit 1. Jan. 2011 (AS 2010 1573; BBl 2006 1085, 2008 3121).
35 Die Änderungen können unter AS 2006 3545 konsultiert werden.
2. Abschnitt: Übergangsbestimmungen
Art. 45 Kinder im Alter zwischen sieben und zehn Jahren
1 Erziehungsmassnahmen, besondere Behandlungen und Disziplinarstrafen, die nach
den bisherigen Artikeln 84, 85 oder 87 StGB 36 gegenüber Kindern, die zur Tatzeit
das 10. Altersjahr noch nicht vollendet hatten, angeordnet und nicht oder nur teil-weise vollzogen wurden, werden nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes nicht mehr
vollzogen.
2 Liegen Anzeichen dafür vor, dass das Kind besondere Hilfe benötigt, so benach-richtigt die vollziehende Behörde die Vormundschaftsbehörde 37 oder die durch das
kantonale Recht bezeichnete Fachstelle für Jugendhilfe.
Art. 46 Vollzug des Freiheitsentzugs
1 Auf Jugendliche, die nach dem bisherigen Artikel 95 Ziffer 1 Absatz 1 StGB 38 zu
einer Einschliessung verurteilt wurden, sind die folgenden Bestimmungen dieses
Gesetzes anwendbar:
a. Artikel 26 über den Vollzug des Freiheitsentzugs in Form der persönlichen
Leistung;
b. Artikel 27 Absatz 1 über den Vollzug des Freiheitsentzugs in Form des tage-weisen Vollzugs oder der Halbgefangenschaft;
c. Artikel 27 Absatz 5 über die Ernennung einer geeigneten Begleitperson;
d. die Artikel 28–31 über die bedingte Entlassung.
2 Bis die Kantone die notwendigen Einrichtungen zum Vollzug des Freiheitsent-zuges nach Artikel 27 dieses Gesetzes errichtet haben (Art. 48), bleibt der bisherige
Artikel 95 Ziffer 3 Absatz 1 StGB 39 anwendbar. Der Freiheitsentzug ist soweit als
möglich nach Artikel 27 Absätze 2–4 dieses Gesetzes durchzuführen.
Art. 47 Anordnung und Vollzug von Schutzmassnahmen
1 Die Bestimmungen über die Schutzmassnahmen (Art. 10 und 12–20) finden auch
Anwendung, wenn eine Tat vor Inkrafttreten dieses Gesetzes begangen oder beur-teilt wurde. Schutzmassnahmen enden spätestens mit Vollendung des 20. Altersjah-res des Jugendlichen, wenn sie wegen Taten angeordnet wurden, die der Jugendliche
vor Vollendung seines 15. Altersjahres und vor Inkrafttreten dieses Gesetzes began-gen hat.
2 Besondere Behandlungen im Sinne der bisherigen Artikel 85 und 92 StGB40 wer-den als ambulante Behandlung (Art. 14) oder als Unterbringung (Art. 15) fort-
gesetzt. Sind die Voraussetzungen für diese Schutzmassnahmen nicht erfüllt, so
benachrichtigt die Vollzugsbehörde die zuständige zivilrechtliche Behörde des Kan-tons.
36 AS 1971 777
37 Seit Inkrafttreten des BG vom 19. Dez. 2008 (Erwachsenenschutz, Personenrecht und
Kindesrecht; AS 2011 725) am 1. Jan. 2013: Kindesschutzbehörde.
38 AS 1971 777
39 AS 1971 777
40 AS 1971 777
Art. 48 Einrichtungen für den Vollzug der Unterbringung und
des Freiheitsentzuges
Die Kantone errichten bis spätestens zehn Jahre nach Inkrafttreten dieses Gesetzes
die notwendigen Einrichtungen für den Vollzug der Unterbringung (Art. 15) und des
Freiheitsentzugs (Art. 27).
2a. Abschnitt: 41
Übergangsbestimmung zur Änderung vom 19. Juni 2015
Art. 48a
Auf Jugendliche, gegenüber denen vor Inkrafttreten der Änderung vom 19. Juni
2015 eine Massnahme angeordnet wurde, findet Artikel 19 Absatz 2 in der Fassung
vom 19. Juni 2015 Anwendung.
3. Abschnitt: Referendum und Inkrafttreten
Art. 49
1 Dieses Gesetz untersteht dem fakultativen Referendum.
2 Es tritt gleichzeitig mit den Änderungen vom 13. Dezember 2002 42 des Straf-gesetzbuches und denjenigen vom 21. März 2003 43 des Militärstrafgesetzes in Kraft.
3 Der Bundesrat bestimmt das Inkrafttreten.
Datum des Inkrafttretens: 1. Januar 2007 44
41 Eingefügt durch Anhang Ziff. 2 des BG vom 19. Juni 2015 (Änderungen des Sanktionenrechts), in Kraft seit 1. Juli 2016 (AS 2016 1249; BBl 2012 4721).
42 AS 2006 3459
43 AS 2006 3389
44 BRB vom 5. Juli 2006